laut.de-Kritik
Von Zusammenhalt, Fernweh und der verbindenden Kraft der Musik.
Review von Toni HennigMit ihrem 2016er-Werk "Leuchtfeuer" erreichten Schandmaul erstmalig die Pole Position der deutschen Albumcharts. Seitdem gab es ein paar personelle Veränderungen. Saskia Forkert ersetzte Gründungsmitglied Anna Katharina Kränzlein am Mikro, der Violine und der Drehleier. Ally Storch von Subway To Sally, die man zuvor als Live-Musikerin hörte, übernimmt nun einen Teil der Geigenarbeit auf "Artus", das in drei Kapiteln die seit dem späten neunten Jahrhundert überlieferte gleichnamige britische Sagengestalt zum Thema hat.
So führt uns die Band an "Die Tafelrunde", zum Heiligen Gral ("Der Gral") und nach Avalon ("Die Insel – Ynys Yr Afallon"). Aber auch anderen traditionellen Geschichten widmet sie sich, etwa dem "Froschkönig" und Moby Dick ("Der Weiße Wal"). Dabei besinnt sich Texter und Sänger Thomas Lindner hauptsächlich auf den wesentlichen inhaltlichen Kern. Des Weiteren geht es um Zusammenhalt ("Vagabunden"), Fernweh ("Der Kapitän") und Schönheit ("Die Oboe").
Musikalisch pendelt die Platte solide zwischen straight Rockigem ("Vagabunden", "Auf Und Davon"), folkig Tanzbarem ("Der Totengräber") und midtempolastig Erzählerischem ("Der Meisterdieb", "Der Weiße Wal") hin und her. Demzufolge mangelt es nicht an Vielseitigkeit. Dass der Klang druckvoll und dynamisch aus den Boxen tönt, dafür sorgen Produzent Fabio Trentini, der bereits für Guano Apes und H-Blockx an den Reglern saß, und Co-Produzent Simon Michael von Subway To Sally, der größtenteils das kräftige Schlagzeug- und Percussion-Spiel von Stefan Brunner festhielt.
Mit "Der Meisterdieb", der den Reichen ihre Habseligkeiten stiehlt, um sie später anderen Reichen wieder zu verkaufen, bewegen sich Schandmaul zunächst in poppigen Sphären. Eine einprägsame und mitsingbare Hook spendieren sie der Nummer obendrein, die von der lebendigen Sackpfeifenarbeit Birgit Muggenthaler-Schmacks und geradlinigen Gitarrentönen lebt. Weitaus tanzbarer gestaltet sich wiederum das gesellschaftskritische "Der Totengräber", das mit einem markanten Polka-Rhythmus zum Totentanz einlädt.
In "Vagabunden" blickt die Formation auf die guten alten Tage zurück und lässt mit treibendem Saiten- und nachdenklichem Dudelsack-Einsatz sehnsuchtsvolle Nostalgie aufkommen. Dürfte sicherlich bald aus dem Live-Repertoire der Gröbenzeller nicht mehr wegzudenken sein. Ebenso das mit keltischen Arrangements durchsetzte "Auf Und Davon", das von der Hungersnot der Iren handelt, als diese notgedrungen ins Ausland auswandern mussten. Das Alte hinter sich zu lassen, darum kreist auch "Der Kapitän", das mit einer wehmütigen Seemanns-Melodie und stürmischen Gitarren-Klängen in die Weiten des Meeres entführt.
Kritischere Töne schlagen Schandmaul wieder in "Die Oboe" an, bei dem Birgit zum ersten Mal an diesem Instrument ihr Können unter Beweis stellt. Im Refrain, der im Kontrast zu den aggressiven Strophen steht, spielt sie eine anmutige Friedensmelodie. Die macht die Sinnlosigkeit von Gewalt und Krieg deutlich und erinnert uns an die verbindende Kraft der Musik.
König Artus und seine Ritter, die sich anschickten, die Ungerechtigkeit zu bekämpfen, treten dann in "Die Tafelrunde" zu epischen Midtempo-Klängen an den Saiten und der Sackpfeife füreinander ein. Ab der Mitte gerät das Stück zunehmend kraftvoller. Daran schließt "Der Gral" an, das mit einem wuchtigen Refrain aufwartet, während es die Band in den Strophen etwas ruhiger und erzählerischer angehen lässt. In "Die Insel – Ynys Yr Afallon", auf der man Artus nach seiner Verwundung vermutlich pflegte und heilte, betont sie dann mit einer eingängigen Hook den sagenumwobenen Charakter der Geschichte. Der König sei nämlich ein "Geist, der durch das Volk wanderte", so Lindner gegenüber dem Sonic Seducer.
Darüber hinaus haben Schandmaul mit "Chevaliers" nach langer Zeit wieder ein Instrumentalstück im Repertoire. Das stampft im Galopp-Rhythmus rockig nach vorne, vernachlässigt aber nicht mittelalterliche Melodien. Mit "Der Weiße Wal" klingt die Scheibe dann rifflastig und heavy aus, wenn "Naturgewalten sich entfalten".
Letzten Endes finden Schandmaul mit "Artus" zwischen Traditionellem und Modernem eine ausgewogene Balance und bleiben ihrer Erfolgsformel treu. Gerade dadurch grenzen sie sich von der Konkurrenz im Mittelalter-Rock ab, die mittlerweile zu sehr in gefälligen und gefühlsduseligen Deutschrock-Gewässern fischt, wie etwa Saltatio Mortis.
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