laut.de-Kritik
Mit dem Graf auf wohltemperierter Sommertour.
Review von Artur SchulzDer Graf hat einen Lauf momentan. Selbst gestrenge Katholiken mögen es seit geraumer Zeit auch gerne mal richtig Unheilig. Seine Kollaboration mit Christopher von Deylen alias Schiller passt da natürlich prächtig ins gegenwärtige mediale Gesamtbild.
Am gemeinsamem Titelsong "Sonne" dürften sich die Geister auch trefflich scheiden. Nichtige Belanglosigkeit oder echter Hit? Auf jeden Fall bleibt der Track mit jedem Hören immer freundlicher im Ohr hängen. Vielen gilt Schiller als epischer Langeweiler, Andere können gar nicht genug bekommen von seinen sphärischen Sounds. Wirkliche Neuerungen bietet das Album zwar nicht, ist aber gleichzeitig weit davon entfernt, nur als beliebige Fingerübung innerhalb des eigenen Kosmos' durchzugehen.
"Jedes Album ist wie eine neue Reise. Ich lasse mich gerne überraschen – von der Anmut dieser Welt und von den Menschen, die ich unterwegs treffe", umschreibt von Deylen sein neuestes Werk, das von der Plattenfirma den aparten Begriff 'Global Pop' zugewiesen bekommt. Derlei blumige Aussagen nimmt man ihm allerdings unbesehen ab.
Böse Zungen schmähen ihn gar als "Captain Cook Und Seine Singenden Saxophone" der elektronischen Musik. Schiller will Pop mit Attitude produzieren. Der Grat, auf dem er wandelt, ist zweifelsohne schmal. Insgesamt hinterlässt "Sonne" aber einen gewinnenden Eindruck mit allerlei Highlights. Durch die Zusammenarbeit und Präsentation anderer Künstler (hier u. a. Owl City) nimmt von Deylen klassische Themen der Popkultur auf, entnimmt ihr die für ihn stimmigen Fragmente, und setzt sie wieder neu zusammen.
Schillers Sommerreise beginnt wie eine Meditations-CD. Weiche Sounds schmeicheln, eine akzentuierte weibliche Stimme lädt ein: "Guten Abend. Herzlich willkommen in der neuen Welt von Schiller. Schließen sie die Augen - entspannen sie sich". Beim darauf folgenden "Solaris" gelingt das mühelos. Das in sanften Molltönen angelegte Instrumental erinnert an den Soundtrack zu einem Film und würde sich glänzend in Ridley Scotts SF-Klassiker "Blade Runner" einfügen. Besonders für die bewegende Schlusssequenz, wenn Rutger Hauer einem sprachlosen Harrsion Ford von den geheimnisvollen Seabeams weit draußen im All erzählt.
Eine gänzlich andere Dramaturgie entwickelt das aufs Tanzbein abzielende "Kon-Tiki", eine Hommage an die Südesee-Abenteuerreisen des Forschers Thor Heyerdahl vor über sechzig Jahren. Besonders die mächtigen, mit Wucht stampfenden Beats hinterlassen einen großartigen Eindruck. Französisch gesprochene Parts kommen immer gut. So profitiert das stimmungsvolle "Soleil De Nuit" mit Pierre Maubouché von dessen prägnanter, tiefer und rauchiger Stimme. Ganz nebenbei streift die Nummer höchst angenehm den ähnlich angelegten Sprechgesang eines Joe Dassin in dessen Seventies-Hit "L'été Indien" (dt. Fassung: "Septemberwind").
Das genaue Zuhören macht Spaß, denn von Deylen streut immer wieder interessante und hörenswerte Details in die einzelnen Arbeiten ein. Da lohnt dann sogar eine eigentlich recht schlichte Only Sound-Komposition wie "Revelation". Die Uptempo-Nummer "Epic Shores" mit Meredith Call reißt indes nicht richtig mit, und versandet im 08/15-Bereich des handelsüblichen Elektro-Blubberpop. Viel besser funktioniert das Dancefloor-Unterfangen für "Velvet Aeroplane" im Verbund mit Kate Havnevik, dank eines zunächst entschlackten und gleichermaßen straff wie gefällig treibenden Arrangements. Zum Ende des über siebenminütigen Tracks hält Schiller dann noch ein paar gleichermaßen konträre, wie auch sich stimmig einfügende Sounds parat.
Richtig heiß wird es in Schillers "Sommer" nie, doch Wohltemperiertheit ist stets garantiert. Zwischen dem vorzüglich produzierten Dance und Trance gelingen van Deylen immer wieder berührende Augenblicke oder beatbetonte Top-Tracks, die manch auftauchende Längen oder Nichtigkeiten vergessen lassen.
3 Kommentare
...tapetenmusik....
Anwalt'sche Neologismen sind zwar von schwankender Qualität, aber doch meist unterhaltsam. ^^
Wie schrieb ein Rezensent einer Zeitung zu dem Konzert von "Sonne": 70er Jahre Tatortmusik.
Das Album ist schon sehr einfach gestrickt, kompositorisch auf niedrigem Niveau, technisch ohne grosse Raffinessen.
Einige wenige Ausreißer wo man denkt, der Song könnte was werden wie z.B. "das dritte Auge" aber nach einer Minute wartet man immer noch das es richtig zur Sache geht
Die Fans sagen fast eindeutig das die Live Konzerte besser sind als die Alben. Verkehrte Welt bei Schiller