laut.de-Kritik
Experimental, Postmetal, Breakbeat und Free Jazz.
Review von Matthias Manthe2007 feiert Slints "Spiderland" seinen 16. Geburtstag. Da vergisst man schnell, dass ein Genre keine Hausnummer ist. Sollte es zumindest nicht sein. Nur zur Erinnerung: Als die mittlerweile üblichen Verdächtigen aus Chicago, Montreal, Texas, Glasgow und Reykjavík Mitte der Neunziger Postrock gebaren, waren die Weiden vorwiegend instrumentaler Gitarrenmusik noch saftgrün.
Seitdem haben unzählige Epigonen Standards gesetzt. Es fehlt nicht viel, bis man dieses Genre, das doch vor allem Attitüde und eben nicht formelhafte Stilrichtung ist, in den Musikschulkanon integriert. Scraps Of Tape ersparen uns zum Glück eine weitere Lehrstunde. Die jungen Herrschaften aus Malmö machen zwar unzweideutig in Postrock, bewegen sich aber gleichzeitig gefühlte Meilen weit weg vom 08/15-Wortschatz. Drehen Sie "Death As It Should Be" auf (möglichst die High-End-Anlage), drehen Sie durch (zu echten Leidenschaften und wahrem Abenteuer).
Gewaltige polyfonische Wände und wärmende Chöre, die gemeinsam den Himmel auf die Erde holen. Transzendente Gitarrenfiguren, die ein Zuckermotiv nach dem anderen ins Stollwerk des Wahnsinns zaubern. Und wuchtige Bassdrums, die das Konstrukt dröhnend zerbersten lassen. Wohlgemerkt, wir reden hier lediglich von sechs Minuten zwei Sekunden.
Noch unglaublicher ist, dass die Schweden auch die folgende Dreiviertelstunde ohne größere Mühen Unfassbares in Form zu bringen vermögen. Zärtlichste Melodien, die mal mehr an die nordischen Nachbarn Samuel Jackson Five, mal an Do Make Say Think oder Mogwai erinnern, treffen auf überschäumende Chaotik zwischen Saxophon und schwermütigem Streicherwirbel; hüben polyrhythmisch vertrackt wie 65daysofstatic, drüben cineastisch wie die seeligen Aereogramme.
SOTs Elementartabelle benötigt keinen Hühnerstall an Effektgeräten, sondern setzt sich allein aus dem profunden Wissen um die Entitäten Experimental, Postmetal, Breakbeat und Free Jazz zusammen. Harmonisch heiratet Atonal und zeugt die schönsten Kinder der Welt. Die Hochzeitsgesellschaft weint. Und ich gehe jetzt meine örtliche Indiediskothek anzünden.
2 Kommentare
übertreibt ihr mit der cd nicht ein wenig???
schon mal reingehört?
klingt verdammt gut, wie ich finde. werde es demnächst wohl meiner plattensammlung hinzufügen, dann kann ich mehr sagen.