laut.de-Kritik
Ausgefeilte Fusion von Urgewalt und Feingefühl.
Review von Jan HassenpflugEin Sevendust-Album ist für gewöhnlich keine Wundertüte, sondern ein "Safe Bet", eine sichere Nummer. Kein Hexenwerk, aber ziemlich solide Zauberkunst eben. Nach neun Platten ist die Verlockung groß, unter diesem Gütesiegel zu stagnieren. Dem zu widerstehen, entpuppt sich dagegen als echte Herausforderung. Wer hinter der Operation "Kill The Flaw" ambitionierte Selbstzweifel wittert, verfügt über einen guten Riecher.
Zumindest harmoniert die Vorab-Single "Not Today" traumhaft mit dieser Interpretation. "This is the thing that swallows you whole", um das Kind beim Namen zu nennen. Verzerrter Sprechgesang rüttelt die Gliedmaßen durch, progressive Breaks entziehen sich jeder Berechnung und Morgan Rose keift hinter den Drums garstiger als je zuvor ins Mikro. Natürlich stürzt sich Frontmonster Lajon Witherspoon gierig auf melodische Parts, bewahrt jedoch Contenance, statt all sein Pulver zu verschießen. So stringent kommt das ungeahnte Dynamik-Spiel auf Albumlänge leider nur selten zum Einsatz.
Warum aber auf Experimente bestehen, wenn "Thank You" alte Tugenden so einleuchtend perfektioniert. Von Demut ergriffen, gebiert Lajons Soul-Timbre eine Melodie zum Einmummeln: "So thanks for coming around and pushing my head back to the ground"."Death Dance" nimmt den Schwung gleich mit, um nach schnaubendem Einstieg weitere Wohlfühl-Massagen zu spendieren.
Keine Frage, diese Fusion von Urgewalt und Feingefühl beherrscht das US-Quintett mit verbundenen Augen. Doch diesmal steckt mehr Dampf dahinter. Selbst wenn sie wie in "Letters" balladesk anmuten, wirkt die druckvolle Umsetzung dem Hang zum eintönigen Trauerspiel entgegen. Den akustisch angeleierten Blues in "Chop" in einem energischen Mitnicker-Chorus aufzulösen, geht dann schon wieder als genialer Geistesblitz durch.
Überhaupt drängt sich der musikalische Spielwitz permanent ins Ohr. Auf "Black Out The Sun" zuletzt etwas lethargisch auf Witherspoon als Alleinunterhalter ausgerichtet, verteilen sich die Arrangements wieder ausgewogener auf den Schultern der übrigen Bandmitglieder.
Besonders Gitarrist Clint Lowery stellt sein Gespür für gute Back-Vocals unter Beweis. In "Cease And Desist" sind es Rhythmuswechsel und eine aufgeweckte Lead-Gitarre, die den testosterongeladenen Stoßgebeten des Wortführers eine Bühne bereiten. Von unzähligen Killer-Soli ("Forget","Kill The Flaw", Silly Beast") ganz zu Schweigen.
Seit "Seasons" verlief die Formkurve ohne bemerkenswerte Ausschläge durch die prall gefüllte Sevendust-Diskografie. Vielleicht lag der Fehler darin, sich genügsam auf einem konstanten Kurs auszuruhen. Insofern trifft die Ansage "Kill The Flaw" den richtigen Nerv. Am Ende sind es viele kleine Wirkungstreffer, die der sicheren Nummer ein belebendes Face-Lifting verpassen. Bloß nicht stehen bleiben, dann geht noch mehr.
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