laut.de-Kritik

Funktioniert in starken Momenten wie ein DJ-Mixtape.

Review von

Shaggy langweile sich selbst. Dass solche Vorwürfe auf sein erstes Soloalbum seit sechs Jahren folgen, war absehbar. Was jeden an Shaggys Stelle langweilen würde, ist der reflexhafte Vergleich mit früheren Großtaten. Klar, Hits wie "Boombastic", "Oh Carolina" und "It Wasn't Me" hätten wir gerne noch mehr vom Mista Lova Lova.

Auf "Wah Gwaan?!" lässt sich erst mit etwas Ausdauer ein Hit entdecken: "Ketch Mi Up". Shaggys Stimme klingt über Albumlänge vital und durchaus nach dem Shaggy, wie er vor 25 Jahren klang. Gerade seine Vocals hübschen manch monotone Dancehall-Passagen im Crooner-Style auf Zugleich wirkt der 50-Jährige wie der gütige Papa vernachlässigter potentieller Pop-Acts: junge Damen im Dancehall.

Dass er letzteren und auch ein paar jungen Herren die Bühne bereitet, betrachtet eine große englische Tageszeitung als einfallslos. Doch gerade die Kunst des Duetts war von jeher ein Markenzeichen Shaggys - ob Rayvon einst gegen ihn in "Angel" gesanglich ankämpfte und jetzt Nyanda den "Make Up Sex" schildert. Ob Grand Puba ihre Stimme in "Why Tou Treat Me So Bad" 1995 erhob, oder nun Stacy Barthe und Shenseea den Track "Supernatural" vereinnahmen: Prägnante Frauenstimmen gehörten immer zu Shaggys Handwerk.

Die außerhalb von R'n'B-Insiderkreisen unbekannte Stacy sowie die seit zwei Jahren gepushte Shenseea zeugen zudem von seiner Expertise. Und nein, es macht gar nichts, dass ein Rave-Beat im Stile der frühen 90er Jahre unter dem Track liegt. Hört sich eher kultverdächtig an, weil Singer/SongwriterinStacy die verschlafen verführerischen Backgroundvocals damaliger House-Tracks reanimiert.

Der hymnische Aufbau und die sehnsuchtsvoll traurige Stimmung des Hits "It Wasn't Me" übertragen sich auf das nachdenkliche "Wrong Room". Shaggy erinnert daran, dass Bescheidenheit und Offenheit ganz gut tun: "When you're the smartest person in the room / you're in the wrong room". Nicht jeder käme mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt, doziert der Sänger.

Coverversionen (wie einst "In The Summertime") spielen auf "Wah Gwaan?!" keine Rolle. Zudem: Der Nachweis, dass "Supernatural" entscheidend auf Drakes und Wizkids "One Dance" aufbaue, wie in einem Verriss behauptet, wäre erst noch zu erbringen. Eindeutige Parallelen hört man jedenfalls nicht.

Samples hin oder her - die Texte weisen nicht wenige Nuancen auf, obwohl sich Dancehall pauschal oft das Gegenteil zum Vorwurf machen lassen muss. Dankbarkeit für Kleinigkeiten ("Praise"), untermalt mit künstlichen Disco-Streichern, gibt die positive Richtung vor. "Ketch Mi Up" schreit vor Eingängigkeit förmlich darum, möglichst viele Konzertbesucher mitsingen und -tanzen zu lassen.

Dieser Earcatcher bildet zusammen mit "Use Me", "Makeup Sex (feat. Nyanda)", "Body Good (feat. Nicky Jam)" und "Live" eine schön aufeinander aufbauende Tanzstrecke mit den besten Tunes des Albums - im Prinzip wie ein DJ-Mixtape. Auf den Dancefloor zielt diese Musik noch deutlicher in "You (feat. Jessi Alexander Stewart)". Ob die mainstreamigen Blubber-Beats eine gute Idee waren, ist die Frage, an der sich wohl Erfolg oder Misserfolg des Albums entscheiden wird.

Shaggy treibt derweil etwas anderes um. Zum einen die Erfahrung scheiternder Kurzbeziehungen: Älter wird man, aber das schützt nicht vor Enttäuschungen. Diesen Widerspruch scheint er in "Friends (feat. Gene Noble)" zu verarbeiten, einen musikalisch reduzierten Song: Beats, A Capella und ein wenig Melodie aus dem Synthesizer.

Zum anderen fragt er sich ob nicht auffallend oft andere zu seinen wirklich großen Nummern beigetragen haben - Rik Rok etwa, oder Rayvon, die ihn 1995 bis 2008 auf vielen seiner Stücke ergänzte und auf "When She Loves Me" wiederkehrt. In diesem Tune zitiert sich Shaggy selbst und nennt sich wieder "Mista Lova". Der Song punktet mit nostalgischem Rocksteady- und Doo Wop-Flair.

Auch wenn die meisten Stücke erst beim zweiten Hören zünden, ist "Wah Gwaan?!" ein rundes und auch vielseitiges Album geworden. Verschiedene Produktionsmethoden unterschiedlicher Producer spiegeln recht authentisch die Ratlosigkeit Shaggys wieder. So klingt das Album nicht glatt, sondern eher nach Bauchgefühl. Und dank des Engagements junger Acts wie Shenseea bringt Shaggy dazu frischen Wind in eine Szene voller Nachwuchs- und Frauenmangel.

Trackliste

  1. 1. Carribean Way
  2. 2. When She Loves Me (feat. Rayvon)
  3. 3. You (feat. Jessi Alexander Stewart)
  4. 4. Friends (feat. Gene Noble)
  5. 5. Money Up (feat. Noah Powa)
  6. 6. Supernatural (feat. Stacy Barthe, Shenseea)
  7. 7. Wrong Room
  8. 8. Praise
  9. 9. Ketch Mi Up
  10. 10. Use Me
  11. 11. Make Up Sex (feat. Nyanda)
  12. 12. Body Good (feat. Nicky Jam)
  13. 13. Live
  14. 14. Frenemy

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