laut.de-Kritik

Konfetti mit David Guetta.

Review von

Sia erntete kürzlich für ihr Regiedebüt "Music" auf Twitter heftige Kritik, da sie die Hauptrolle des autistischen Mädchens Music mit der Nicht-Autistin Maddie Ziegler besetzt hatte. So warf ihr die autistische Community vor, dass sie zum Thema Autismus nicht ausreichend recherchiert hätte, worauf die Australierin mit gehässigen Kommentaren reagierte. Den Film gibt es nun digital zu sehen. Parallel dazu erscheint ihr neues Studioalbum "Music - Songs From And Inspired By The Motion Picture". Zehn Songs der Platte finden auch im Film Verwendung. Für andere Tracks hatte die Pop-Musikerin Inspiration aus dem Film geschöpft.

Zudem erklärte die Sängerin und Songwriterin dem Sunday Times Culture-Magazin, dass sie die meisten Nummern schrieb, als sie Suizidgedanken hatte: "Ich hatte es so schwer, einfach nur am Leben zu sein, und die wiederkehrenden schlimmen Gedanken meines Selbstmords waren sehr aufdringlich. Ich denke, viele der Stücke waren aufmunternde Briefe an mich selbst."

Leider hat das zur Folge, dass sich auf der Platte nur zwei Arten von Songs befinden: Den quirligen, aufgedrehten und bunten, von R'n'B- oder Dancehall-Beats durchzogenen Song und die streicher- und pianogetränkte Musical-Ballade. Vom verschrobenen Charme früherer Tracks Sias: keine Spur.

Einerseits lässt sich der Unterhaltungswert von knalligen Konfettifeuerwerken wie dem gut gelaunten, von Fingerschnippen und quäkendem Kinderchor geprägten "Together" oder dem tanzbaren "Floating Through Space", das gemeinsam mit David Guetta entstand, nicht abstreiten. Andererseits klingen die Nummern melodisch so einförmig, dass kaum etwas hängen bleibt. Lediglich das von 80er-Jahre-Synthies dominierte "Eye To Eye" lässt mit einem griffigen Refrain melodisch kurz aufhorchen. Für Popmusik ist das eindeutig zu wenig. Schade, denn das verspielte Piano-Solo in der Powerballade "Courage To Change" oder die Fiedel in "Oblivion", das Sia zusammen mit Labrinth im Duett singt, beweisen, dass man songwriterisch weitaus mehr aus den Songs hätte herauskitzeln können.

Ansonsten Stagnation, wohin das Auge reicht. Egal, ob gerade fluffiger R'n'B ("Play Dumb") oder Dancehall-Rhythmen aus den Boxen tönen ("1+1"): Mehr als eine nichtssagende Kopie großer Sia-Hits wie "Chandelier" oder "Cheap Thrills" hört man nicht. Zudem versucht die Australierin in "Music" zu hallgetränkten Piano-Klängen und schwebenden Streichern, an den Charme Lana Del Reys heranzureichen, was aufgrund ihres anstrengenden Dauergeknödels mächtig in die Hose geht. Immerhin besinnt sie sich in "Lie To Me" auf ihre gesanglichen Stärken, wirkt sie doch im Refrain ungemein verletzlich und zerbrechlich.

Letzten Endes bleibt zu hoffen, dass ihr nächstes Studioalbum "Reasonable Woman", das noch in diesem Jahr auf den Markt kommen soll, über mehr Persönlichkeit, Eigentümlichkeit und Hit-Charakter verfügt als diese Platte. Die hat man nämlich so schnell wieder vergessen, wie man sie gehört hat.

Trackliste

  1. 1. Together
  2. 2. Hey Boy
  3. 3. Saved My Life
  4. 4. Floating Through Space
  5. 5. Eye To Eye
  6. 6. Music
  7. 7. 1+1
  8. 8. Courage To Change
  9. 9. Play Dumb
  10. 10. Beautiful Things Can Happen
  11. 11. Lie To Me
  12. 12. Oblivion
  13. 13. Miracle
  14. 14. Hey Boy

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5 Kommentare mit 15 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Alter Schwede, 2 Sterne für ein Sia-Album, da muss ich erstmal schlucken.

    Da ich sie (auf Grund ihrer Hautfarbe natürlich) sehr verehre (weltgrößter Sia-Fan), muss ich diese Review erstmal gründlich verifizieren, Ergebnis folgt.

  • Vor 3 Jahren

    Ich denke, da hat Sia ihre PC-Credibility ein wenig überschätzt, als sie dachte, sie könne mal eben so einen Film über Autismus machen. Mal davon abgesehen, ob die Nummer jetzt wirklich diskriminierend war, und von der Frage, ob man jetzt wirklich Autisten nur mit Autisten besetzen darf (I beg to differ): Es war eine dumme Idee. Gerade zu der jetzigen Zeit, wo einem die gesamte Welt auf die Finger schaut.

    Die Musik dazu hinterließ bei mir auch nichts. Wie der Autor sagte, es war eine Rezitation ihrer Erfolge, aber nichts neues. So langsam müsste sich da aber mal was tun.

    • Vor 3 Jahren

      Dustin Hoffman bekommt als Nicht-Autist 1989 einen Oscar als beste Hauptrolle, SIA 2021 ordentlich schimpfe, yo.

    • Vor 3 Jahren

      Ja genau das meine ich. Und finde mal eine/n gute/n autistische/n Tänzer*in, die wachsen nicht an Bäumen.

      Insgesamt ist diese Authentizitäts-Debatte halt so ein Ding, in Sachen Kultur-Casting kann ich z. B. schon verstehen, dass man einen Afrikaner auch mit einem POC besetzen sollte, aber irgendwo muss man auch dann die Grenze ziehen. Letztlich ist ja schauspielern nichts anderes, als dass man jemanden darstellt, der man nicht ist.

    • Vor 3 Jahren

      "Letztlich ist ja schauspielern nichts anderes, als dass man jemanden darstellt, der man nicht ist."

      Aight.

  • Vor 3 Jahren

    Austauschbare Radiobeschallung und Leute aif Twitter stilisieren sich mal wieder als Opfer. Im Westen nichts Neues.

  • Vor 3 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 3 Jahren

    Unnormal, was für Hits rauskommen, wenn Sia und David Guetta zusammenarbeiten. "Floating through Space" Song des Jahres. Aber auch "Eye to Eye" zählt schon zu meinen Lieblingsstücken von Sia. PS: Aufgrund des mimimi Internetaufstandes habe ich mir den Film direkt 2 mal vorbestellt. Aus Prinzip.