laut.de-Kritik

Simply not dead zu kriegen.

Review von

"Blue Eyed Soul" ist auch schon wieder vier Jahre alt, da kommt "Time" sozusagen just in ... na ja. Für die jüngere Generation: Simply Red hatten bis auf eine achtjährige Pause nie aufgehört, Musik zu veröffentlichen, seit eure alten Väter/ jungen Großväter die gut fanden. Und Simply Red besteht nicht nur aus dem Sänger Mick Hucknall, sondern ist eine echte Band, auch wenn Hucknall die Songs schreibt. Die Besetzung hat sich seit dem Weggang des viel zu früh verstorbenen Fritz McIntyre verfestigt, und etwas Schmusepop braucht in diesen Zeiten doch jeder - aber kann ihn Hucknall mit derselben Verve wie früher liefern?

Auf diesem dreizehnten Album fällt dem geneigten Hörer sofort auf, dass Hucknall Frieden mit seiner nunmehr weniger dynamischen, tieferen Stimme geschlossen zu haben scheint. "Blue Eyed Soul" krankte an vielen Stellen am Willen des Sängers, seine Bänder zurück in die 80er zu schießen, mit erwartbar schlechtem Ergebnis. Dergleichen geschieht auf "Time" nicht, so richtig hat der Mancunian seine Gesangsrolle trotzdem noch nicht gefunden. Auf "Just Like You" oder "Slapbang" fehlt der gewohnte rothaarige Derwisch, der seine Kraft früher weniger aus seiner Stimmweite, denn aus seiner Dynamik bezog, man höre nur "A New Flame" erneut.

Weite Strecken von "Time" ("It Wouldn't Be Me", "Let Your Hair Down", "Butterflies") sind deutlich mehr Blue-Eyed Soul, als es das gleichnamige Vorgängeralbum war. Brit-Soul war schon immer ein Bastard aus Philly, Northern und Disco, und ähnlich legen es Simply Red auf diesem Album aus. Das Problem an diesen Songs: Sie einigen sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Das ist richtig gute Hotellounge-Musik, stilvoll und entspannt – und folgerichtig überaus fade. Von der Telekom über AT&T bis zu China Mobil werden sich die großen Handynetzanbieter der Welt darum reißen, diese maximal unbedrohliche Musik für ihre pseudohippen Werbungen zu buchen.

"Never Be Gone" wiederum ist eine fürchterliche Schmonzette, die Hucknall gar nicht mehr nötig hat. Zumindest textlich weist er mit dem hinterlistigen "Too Long At The Fair" ("Democracy is wonderful, marvelous/ But do you really care, yeah") eine neue Ebene an politischer Hintergründigkeit nach, die ihm ausgezeichnet steht. Der verschmitzte Elder Statesman wirkt so gleich weniger gruselig als bei der songgewordenen Pick-Up-Line "Let Your Hair Down". Musikalisch wiederum ist diese gelungen, denn das Simply-Red-Schema wird hier konsequenter durchgezogen, soll heißen der Soul bekommt mehr Pop und Blues ab und gerät so melodiöser und weniger samtig. In die selbe Sparte fallen die stabilen "Just Like You" und "Shades 22".

Der Opener "Better With You" ist ein völliger Fehlschlag, das Keyboard-Gesäusel und Hucknalls Falsett scheinen sich gegenseitig quälen zu wollen in einem Abnutzungskampf auf Kosten des Hörers. "Slapbang" ist ebenfalls misslungen, weil es von seinem flotten Beginn in einen Kindersingsang abgleitet. Mit der "Time" wird aber bekanntlich alles besser und dementsprechend versammeln sich die Juwelen spät auf dem Album.

Auf "Just Like You, Pt. 2" legen die Engländer die Bürde der Pflichtschuldigkeit ab und machen einen sphärischen Pop, der ihnen sehr gut steht und auf dem Ian Kirkham endlich wieder das Instrument herausholt, das zu dieser – und quasi nur zu dieser – Band passt: das Saxofon. Eine geile Nummer, die eben nicht von einer Nostalgie zehren muss, um zu funktionieren. Für den Closer "Earth In A Lonely Space" gilt Ähnliches, auch er hört sich null konstruiert an, sondern organisch gemeinsam eingespielt; in Richtung später Bowie, auch in den gelungenen Lyrics. Zwei wirklich gute Ergänzungen zum umfassenden Kanon sind für "Time" aber natürlich keine starke Ausbeute.

Trackliste

  1. 1. Better With You
  2. 2. Just Like You
  3. 3. Let Your Hair Down
  4. 4. Shades 22
  5. 5. It Wouldn’t Be Me
  6. 6. Never Be Gone
  7. 7. Too Long At The Fair
  8. 8. Slapbang
  9. 9. Hey Mister
  10. 10. Just Like You (Pt. 2)
  11. 11. Butterflies
  12. 12. Earth In A Lonely Space

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