laut.de-Kritik
Als würde ein Kind laufen lernen.
Review von Paula FetzerMan weiß, dass man es mit einem wirklich misslungenen Album zu tun hat, wenn man verzweifelt nach etwas Positivem sucht, um nicht nur auf dem Werk rumzuhacken. Doch auch, wenn man fair bleibt, gibt es sehr wenig an "Killing For Revenge" zu loben. Das 14. Studioalbum der Death Metaller Six Feet Under schreckt auch jeden noch so eingefleischten Death Metal-Fan ab - und zwar nicht im von Chris Barnes & Co. gewünschten Sinne.
Schon das einleitende "Know-Nothing Ingrate" hat nur sehr wenig mit Musik zu tun: Drummer Marco Pitruzzella prügelt auf sein Kit ein, was das Zeug hält, und Barnes klingt wie ein wütender Opi, wenn er so ins Mikro keift. Seine besten stimmlichen Jahre hat er auf jeden Fall hinter sich. Als Rettungsring werfen Six Feet Under ein fast einminütiges Solo in den sowieso nur knapp zweieinhalb-Minuten-Song. Es wirkt eher reingeklebt und fügt sich nicht nahtlos in den Song ein, aber zumindest wischt es die Monotonie für kurze Zeit weg.
Auch auf "Accomplice To Evil Deeds" verfolgen sie den Haudrauf-Ansatz, wenngleich sie sich um einen eingängigen Rhythmus bemühen. Das Ergebnis klingt jedoch leider nicht weniger stumpf und uninspiriert. Neues Stück, neues Glück? Schön wäre es, aber leider wird diese Hoffnung von "Ascension" zunichte gemacht. In den viereinhalb Minuten passiert für diese Zeit einfach zu wenig - und nein, ein kleines Solo reicht auch hier nicht, um den Song aufzuwerten.
Hört man das 'Riff' von "When The Moon Goes Down In Blood", wünscht man sich dann allerdings doch wieder das Geschrammel zurück. Ehrlich, ich habe mich wirklich erschrocken beim ersten Hören. Mit einem Riff hat das sehr wenig zu tun, mehr mit einer Übung aus dem Gitarrenunterricht (ich sollte es wissen). Es holpert und stolpert den ganzen Song durchweg - ungefähr so, als wäre ein Kind gerade dabei, laufen zu lernen.
Gleiches trifft auf "Fit Of Carnage" zu. Auf ein nichtssagendes Interlude folgt ein schlimmes Geröchel von Barnes, als wäre die Pause nicht lange genug gewesen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte man sich eingestehen, dass sich die Karriere als Fronter dem Ende zuneigt - was nach 14 Alben ja auch nicht weiter tragisch ist.
In "Hostility Against Mankind" geht den Floridianern dann scheinbar die Puste aus; das Tempo kann man auch nicht mehr als groovy rechtfertigen. Ähnlich schleppend geht es auf "Neanderthal" zu, in dessen erstem Instrumental mal ein ganz nettes Riffing durchscheint. Ansonsten bleibt es träge und minimalistisch, Spannung sucht man vergebens.
Die erste wirkliche Veränderung ist im Cover von Nazareths "Hair Of The Dog" hörbar, das mit Cowbell und einem erfrischenden Riff in den ersten Sekunden aus dem Trott des Albums ausbricht. Die Rocknummer hätte aber einen anderen Sänger gebraucht - damit ist nicht nur Barnes gemeint, generell sind Screams hier fehl am Platz, dafür ist es zu sehr Rock und zu wenig Metal.
Ziehen wir nun endlich den Schlussstrich unter dieses Werk. Ich kann mir nicht vorstellen, dass selbst langjährige Fans Freude an "Killing For Revenge" haben. Wer es sowieso noch nicht in den Kosmos der Gruppe geschafft hat: Lieber einen Bogen um dieses Album machen.
6 Kommentare mit 5 Antworten
"Es wirkt nicht so, als wäre der Closer von und für diese Band geschrieben."
Richtig, das ist im Original von Nazareth
Danke für die Verbesserung, das war mir nicht bewusst.
'Schon das einleitende "Know Nothing Integrate"'
Ich denke, das sollte "Ingrate" heißen.
Stimmt, danke für den Hinweis
Ich mag Death Metal, aber das ist wirklich hölzernes Geholze, und der gute Chris Barnes schwächelt doch altersbedingt sehr. Musste hiernach erstmal Fallujah zur Kur anmachen
Insbesondere auch live seit Jahren unterirdisch.
https://youtu.be/wlw77SEQX58?si=wh9v171lOu…
Ist das geil, vielen Dank dafür!!! EEEEEEEEEE
Sehr schön, danke dafür.
holy shit ist das scheiße
Zum Glück bin ich kein Sixty, obwohl dies schon meine 3. LP von Six Feet Under ist. Denn ich kann die Songs wunderbar von dem Phänomen trennen. Und ich finde die Scheibe fast durchgehend gut. Ein paar Songs habe ich unmittelbar mitgepfiffen/gesummt. Ich finde die Vinylausgabe mit dem "Buch" drin schön gestaltet und anzuschauen.
Was die Texte angeht, bieten sie mir (ohne den ganzen Instagramm/Internet Background) ganz andere Zugänge, Deutungs- und Interpretationsmöglichkeiten.
Ich weiß nicht mal, wer Chris Barnes aktueller Freund ist. Nehme auch die ganzen Meldungen eher als Hintergrundrauschen wahr. Wie befreit kann ich dieses Werk genießen.
Ich kann den Tenor des Reviews nicht nachvollziehen. Chris Barnes klingt überhaubt nicht wie ein wütender Opi. Das Album braucht sich vor anderen Werken der Band wie z.b. den Graveyard ClassicsI-IV nicht zu verstecken!