laut.de-Kritik
In Löffelchenstellung mit dem Gehörgang.
Review von Martin MengeleSonic Youth lassen ihre Fans nicht auf dem Trockenen sitzen und versorgen sie in steter Regelmäßigkeit mit neuem Output. Mit dem nunmehr neunzehnten (!) Longplayer setzen sie das fort, womit sie mit "Murray Street" begonnen haben.
"Pattern Recognition" öffnet gleich mehrere Interpretationsmöglichkeiten. Jedoch steht fest: Sonic Youth sind immer noch eine Ausnahmeband mit dem besonderen Wiedererkennungswert, die man auch noch unter einer Million von Indierock-Knalltüten heraushört. Eine Kopie ist unmöglich und unerwünscht. Kim Gordon zeigt sich hier sowohl am Bass als auch am Mikro in Höchstform.
"Kim Gordon And The Arthur Doyle Handcream" ist ihr giftiger Appell an Mariah Carey. Diese soll endlich von ihrem eitlen und von Hochmut zerfressenen Selbstmitleidstrip herunterkommen, bevor es ihr wie der Monroe geht und nach den Zusammenbrüchen das physische Ende folgt. Das Stück sorgte schon vor Veröffentlichung für Schlagzeilen und ursprünglich prangte im Titel auch Mariah Careys Name. Wohl aus Respekt vor der advokativen Macht um die R'n'B-Barbie wurde er aber ausgetauscht.
Auch bei "Dude Ranch Nurse" hält sich Kim mit kratzbürstigen Ausbrüchen extrem zurück und konzentriert sich auf ein softes Singalong. Obwohl man sich mit ihrem monotonen Organ sehr schwer tun kann, muss man hier zugeben, dass sie mit "Sonic Nurse" gesanglich wahrscheinlich eine ihrer insgesamt besten Performances abliefert. Dies ist "ihre" Platte und für mich die beste seit "Washing Machine".
Ganz still und heimlich könnte "Stones" zu einem neuen Klassiker im Sonic Youth-Repertoire erwachsen. Zumindest ist er das zarte Glanzstück auf "Sonic Nurse". Ein eigentlich sanftes, ja fast zerbrechliches Lied, das von einer eingängig rockenden Hookline zusammen gehalten wird.
Wie der Vorgänger lebt auch dieses Album von der Melodie und filigranen Arrangements. Die Zeiten, in denen Feedbacks und Freakouts der Band als Ventil für ihre kontrollierten Ausbrüche dienten, sind vorbei. Deswegen ist dies auch eine der wenigen SY-Platten, die schon beim ersten Hören in Löffelchenstellung mit dem Gehörgang gehen, anschmiegsam und sexy zugleich. Wer aber gerade die abgedrehte Noise-Seite der Sonic Youth schätzen gelernt hat, wird diese zwar wieder finden, allerdings meist hintergründig und gedämpft.
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