laut.de-Kritik
Grunge ist tot. Es lebe Grunge.
Review von Josef GasteigerLieber Grunge, du hast es nicht leicht. Einst als Modewort erfunden, um einer explodierenden Miniszene auf dem Weg zum Rockolymp beizustehen, später von allen so bezeichneten Bands verhasst, zogst du mittlerweile in Form von Holzfällerhemden in H&M-Filialen und die Popkultur ein, all jenes, gegen das du einst rebelliertest.
Kurt Cobain entzog sich vor 17 Jahren den Geistern, die er rief, Layne Stayle vor neun und Eddie posiert dieser Tage lieber mit Ukulele. Grunge, alter Freund, ruhe in Frieden.
Für eine Runde Nostalgie kommt das allererste Livealbum der wiedererstarkten Soundgarden jedenfalls gerade recht. Die Band, musikalisch mit Pearl Jam und Nirvana eigentlich nur die Postleitzahl gemein, kapitulierte nach der 1996er-Tour vor den zwischenmenschlichen Problemen, noch bevor ein Livedokument des Quartetts aufgetaucht war.
Dabei packten die Soundgärtner damals eigens Albumproduzent Adam Kaspar mit 1A-Equipment in den Tourbus, um ihre Bühnengewalt endlich für die Nachwelt festzuhalten. Diese Tapes wurden nun entstaubt und präsentieren uns auf "Live On I-5" (steht für Interstate 5, der Highway an der Pazifikküste von Mexiko nach Kanada, an dessen Verlauf die Tour und die Aufnahmen stattfanden) 17 Mal Soundgarden auf dem Zenit ihrer Bühnenkraft.
Von Kasper in einen naturbelassenen, aber druckvollen Sound gesteckt, gräbt sich die Setlist durch die Neunziger-Alben der Band, lässt kaum Hits aus und versucht sich auch an zwei Covers. Der Riffsalat von "Spoonman" eröffnet die kollektive Suche nach der Eins. Getreu dem Motto "steal the rhythm while you can" nutzten Soundgarden stets die ungeraden Taktarten als Unterbau ihrer walzenden Betonriffs, die immer noch jedem Willigen die Luft aus den Lungen pressen ("Rusty Cage", "Outshined").
Die Performances selbst verdienen allesamt das Prädikat tight as hell. Hier wurde wirklich eine Band bei bester Spiellaune auf Tonband festgehalten. Wenn sie ihre Aggressionen auf die Instrumente richteten, entstand allabendlich Großes, meint auch Adam Kasper im Booklet.
Die Neun Minuten-Version eines "Slaves And Bulldozers", "Black Hole Sun" in einer reduzierten Soloversion von Cornell, ein von aller Zurückhaltung befreites "Ty Cobb" und ein schnelleres und entfesseltes "Jesus Christ Pose" als Rausschmeißer sind atmosphärische Demonstrationen der Power einer Band, die wenige Monate später in Stücke gerissen wurde.
Das prominenteste "Stück" von Soundgarden war Chris Cornell, der im Herbst 1996 noch ordentlich bei Stimme war und nicht die Skepsis vor heutigen Gigs ob seiner Vocalperformance über sich ergehen lassen musste. Ob Plant-Höhen, Punk-Shouts oder sonore Balladen-Töne, die Stimmbänder hielten den Gitarrenwänden und fetten Basslines Stand.
Eine der kratzigsten Gesangsleistungen hört man auf der psychedelischen Version von McCartneys "Helter Skelter", das eigentlich nur ein kurzes Intro zu "Boot Camp" werden sollte. Es startet als Jam mit spärlichem Bass, und man meint, Cornell könnte nur zufällig die Textzeilen dazugestammelt haben. Etwas kohärenter klingt die Band beim schiebenden Stooges-Cover "Search And Destroy", dessen Einfachheit nach den ganzen Riffmonstern auch sicher live in concert gut tat.
"I am the world's forgotten boy" wollte sich wohl Gitarrist Kim Thayil nie wieder denken. Der Haaransatz ist schütterer, doch trotzdem soll der Soundgarten noch im Jahr 2011 mit neuem Material bestellt werden. Es wäre zu wünschen, dass sich die Band dadurch nicht selbst den Legendenstatus streitig macht.
9 Kommentare
verdammt gutes live album mit guter song auswahl.
Ich kann dem Rezensenten nur zustimmen, Soundgarden könnten sich mit einer Reunion ins eigene Fleisch schneiden, auch wenn es dem Geldbeutel bestimmt guttut. Wer mit so einem genialen Album wie Down on the Upside aufhört, muss gut 15 Jahre später schon ordentlich nachlegen. Oh man, gleich direkt nochmal Blow Up The Outside World reinziehen.
Wer braucht so eine CD heute noch?
das müssen wir alle.... das müssen wir alle..... *seufz*
hört sich echt geil an, sollte das vielleicht mal prüfen
Das macht Lust auf mehr. AIC haben die Rückkehr geschafft, allerdings bekam man in den letzten Jahren den Eindruck, dass Chris Cornell - ganz im Gegensatz zu Jerry Catrell - sein Feuer schon verschossen hat.