laut.de-Kritik

Keine aufgesetzten Posen, sondern Soul-Herz pur.

Review von

Der Hamburger Soul-Brother betreibt Bestandspflege des eigenen Stils. Doch das Unterfangen findet auf gutem bis hohem Niveau statt. Einige stilistische Neuerungen und Weiterentwicklungen finden sich erfreulicherweise trotzdem mit im Gepäck.

Wie auch bei den beiden Erfolgs-Alben "Nur Wegen Dir" und "Heut Ist Der Tag" besteht das Aufgebot aus eigenen Kompositionen in Zusammenarbeit mit Michy Reincke, und eingedeutschten Coverversionen klassischer Soul-Hits.

Den zündenden Auftakt macht eine rockn'rollige Interpretation von Joni Mitchells "Big Yellow Taxi" ("Wenn Es Weg ist"). Für die dezenten Background-Vocals sorgt Label-Kollegin Annett Louisan. Isaac Hayes' "Soul Man" wandelt sich zu "Ich Bin Soulfan". Gwildis macht hier mit druckvoller Band-Begleitung und reichlich Leidenschaft im Gepäck eine prima Figur. "Caruso" aus der Feder des italienischen Künstlers Lucio Dalla erfährt als "Keines Menschen Auge" eine höchst interessante Neuinterpretation.

Unter den Covern ragt besonders "Gestern War Gestern" hervor, eine glänzende Umsetzung des Hits von Marc Cohn. Hier bluest und gospelt es besonders kräftig, wenn Stefan einem von der Liebsten verlassenen Freund ("Mann, sie hat dich ganz schön zerlegt") Hilfe beim Betrinken anbietet, sich dann aber für einen Gotteshaus-Besuch entscheidet: "Hey, komm' mit in die Kirche / schöne Fraun' singen da im Chor." Was so natürlich ebenfalls für Stefans Background-Ladies gilt: San Glaser, Marion Welch, Regy Clasen und Julia Schilinski runden die Songs mit gewohnt kräftiger und saftiger Chor-Note ab. Auch Brooke Bentons "Rainy Night In Georgia" ist beim Crooner in besten Händen: Hier wandelt er nachdenklich sinnierend durch eine "Regennacht In Hamburg".

Die Eigenkompositionen stehen nie als Füllstoff oder womöglich abfallende Ergänzung da. Erinnerungen an lang zurückliegende Kindheits-Nächte vor dem Fernseher weckt die Cassius Clay-Hommage "Muhammad Ali". Mit viel Respekt vor dem Jahrhundert-Sportler swingt sich Gwildis durch eine effektvolle Seventies-Disco mit allerfeinstem, federndem Phillysound der Marke Van McCoy oder The Three Degrees. Stimmungsvoll-balladesk geht es in den Nummern "Du Gehst Mir Nicht Mehr Aus dem Sinn" und "Wenn Es Dich Glücklich Macht" zu. Auf "Lass Den Dingen Ihren Lauf" behalten wieder Groove und Funk die Oberhand - eine quirlige, launige Nummer, die zum Schluss gar mit Klängen altertümlichen Liedguts überrascht: Einige Takte "Oh Du Lieber Augustin" sind als Fade-Out eingearbeitet. Damit glückt eine kleine, amüsante Hör-Überraschung.

Mit dem Rückgriff auf Titel von Cohn, Mitchell und Dalla wandelt der Hamburger etwas abseits seiner bisherigen Soul-Pfade und gibt Blues und Rock mehr Spielraum. Stimmlich bietet Gwildis die ganze große, üppige und intensive Rauhreif-Palette. Fast scheint es, er habe noch einen Tick zugelegt in Sachen sinnlichem Kratzen und beseeltem Röhren. Trotz allerlei romantisch-melancholischer Momente ist aber von plüschiger Kuschelrock-Attitüde nichts zu hören. Stets legt er sein ganzes Stimmvermögen in die Waagschale. Smarter Charmeur und hemdsärmeliges Rauhbein: Bei Gwildis keine aufgesetzten Posen, sondern Soul-Herz pur.

Trackliste

  1. 1. Wenn Es Weg Ist (Big Yellow Taxi)
  2. 2. Ich Bin Soulfan ( Soul Man)
  3. 3. Wünscht Du Wärst Hier
  4. 4. Gestern War Gestern (Walking In Memphis)
  5. 5. Du Gehst Mir Nicht Mehr Aus Dem Sinn
  6. 6. Keines Menschen Auge (Caruso)
  7. 7. Regennacht In Hamburg (Rainy Night In Georgia)
  8. 8. Wo Bist Du Grad
  9. 9. Lass Den Dingen Ihren Lauf (Spinning Wheel)
  10. 10. Muhammad Ali
  11. 11. Wenn Es Dich Glücklich Macht
  12. 12. Wundervolles Wunder

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14 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Mittlerweile habe ich ein zwiespältiges Verhältnis zum deutschen Clooney wie auch zu seinen Songs.
    Einerseits ist er ein wirklich sympathischer Typ und man muss ihn einfach mögen. Auch als Musiker / Sänger ist er durchaus ein Könner und Profi.
    Aber auf seltsame Art hab ich ein Problem damit, eben teils hochkarätige "Klassiker" irgendwie einzudeutschen.
    Auf seinen letzten Alben kamen da längst nicht immer wirklich ordentliche Lyrics zustande. Manches wirkte auf mich wie "das muss jetzt aber irgendwie passend gemacht werden".
    Ich weiß, daß es in englisch oftmals nicht viel besser mit den Texten ausschaut, aber (jeder weiß es, nur kaum einer gibt es zu) die englischen Texte werden nur in den wenigsten Fällen wirklich gewürdigt, hinterfragt oder man hört genauer hin.
    "Eingedeutscht" sieht das schon anders aus.
    Ich höre im Geiste Joni Mitchels "Big Yellow Taxi" und stelle mir simultan "Wenn Es Weg ist" (was ist es???) vor...zumindest versuche ich es. :???:
    Okay, ich höre mir sicher auch dieses Album an. Wie die anderen davor auch, ein paar durchaus schöne Perlen waren immer dabei. ;)