laut.de-Kritik
Kompositionskunst statt Überbietungswettbewerb.
Review von Yan VogelNach zwei Alben im Bandkontext, auf denen Prog-Meister und Tapping-Erfinder Steve Hackett seine Version von anspruchsvollem Rock und Weltmusik peu à peu verfeinert hat, zieht er Lockdown-bedingt andere Register. Erstmals seit dem 2008-Release "Tribute" hört man den Vollblutmusiker rein auf der akustischen Gitarre.
Anders als bei der reinen klassischen Ausrichtung von "Tribute" pflegt er auf "Under A Mediterranean Sky" einen Reigen an Instrumenten aus anderen Ethnien ein, was wiederum auf die weltoffenen Kompositionen der beiden Vorgänger "The Night Siren" und "At The Edge Of Light" verweist. Hackett zieht die Inspiration für die Platte aus seinen ausführlichen Reisen in mediterrane Gefilde. Al Di Meola lässt grüßen.
Gemeinsam mit seinem langjährigen Partner Roger King - profunder Orchestrator und Arrangeur der Hackett-Klangreisen - setzt er die Erlebnisse, in denen er geistige Zuflucht und Inspiration sucht, in tolle Kompositionen um. Einziger Wermutstropfen: Auch wenn der Lockdown die intime Performance erst ermöglicht, verhindert er das Engagement eines echten Orchesters, wie es Blind Guardian auf ihrem gewaltigen Epos "Legacy Of The Dark Lands" realisierten.
Neoklassisches Klanggewand im Stile von Richard Strauss und Gustav Mahler prägen den Einstieg "Mdina". Das Stück folgt dem Aufbau eines Konzerts für Orchester und Solo-Instrument mit seinem dynamischen Wechsel aus tutti und solo.
"Adriatic Blue" hingegen lebt vom virtuosen Spiel auf der Konzertgitarre, in dem barocke Harmonien, halsbrecherische Skalen und einfühlsam gestreute Melodien ein eindringliches Gepräge abgeben.
"The Dervish And The Djin" spendiert einige fantastische Solo-Passagen. Malik Mansurov auf der Tar, Arsen Petrosyan auf der Duduk und ein entfesselter Rob Townsend am Saxophon ebnen den Weg für ein furioses Finale. Hacketts Bruder John schmückt "Casa Del Faun" mit einigen Farb-Tupfern auf der Flöte.
Hier hört man keinen schöngeistigen Überbietungswettbewerb, sondern klasse Kompositionskunst. Was also tun in diesen Zeiten? Eine Optionen lautet: Hackett-Platte auflegen, Gedanken schweifen lassen und sich mit dem Vögeln im Garten anfreunden.
1 Kommentar mit einer Antwort
Bei Gelegenheit im letzten Satz "dem" durch "den" ersetzen
Oh, das ist ja ein wirklich entscheidender Fehler. Die Gelegenheit wurde in den vergangenen 2 Jahren auf jeden Fall nicht genutzt.
Kann als Stilblüte aber auch durchaus so bestehen bleiben.