laut.de-Kritik

Der junge König trägt schwer an seiner Bürde.

Review von

Stormzy, das britische Kulturgut. Das Artwork zu seinem aktuellen Album "Heavy Is The Head" hängt bereits in der britischen National Portrait Gallery, zusammen mit Porträts von William Shakespeare und anderen wichtigen britischen Persönlichkeiten. Gar nicht übel für das Kid aus dem Londoner Süden, dessen Weg seit Jahren unfassbar steil nach oben geht. Der Aufstieg von Grime trägt auch seinen Namen.

Doch mit den immer größeren Erfolgen wird auch das Werk des ehemaligen Underground-Künstler skeptischer und genauer betrachtet. Der einstmals räudige Gangsta-Rap wird bei Stormzy gerne mit Pop-Experimenten vermischt und ist mittlerweile durchaus charts-tauglich.

Schon vor zwei Jahren holte ihn Ed Sheeran für einen Brit Award-Auftritt auf die Bühne, nun revanchiert sich der rothaarige Schmuse-Barde mit der bereits zweiten Kollabo in diesem Jahr. Genau wie der Beitrag "Take Me Back To London" auf Sheerans Album ist auch "Own It" eine sehr leicht verdauliche Afro Trap-Nummer geworden.

Auch wenn Stormzy schon auf "Gang Signs und Prayer" nicht gerade als der krasse Asoziale im Grime-Game galt, ist diese auf die Charts-produzierte Harmlosigkeit einfach ein gefundenes Fressen für alle, die ihm Sellout vorwerfen. Auch sonst bemüht sich Big Michael nicht um innovative Sprünge, sondern liefert erwartbare Ware und bekannte Sounds. Schon im Vorfeld äußerte sich über den riesigen Druck auf seine Person, die er ja schon im Albumtitel thematisiert.

"Wiley Flow" möchte ein bisschen böse sein, aber gerät zur selbstverliebten Protzerei über Platinum und beißt wütend in Richtung jüngerer Künstler, die nun an seinem Thron sägen. Sein Idol Wiley, der einst mit Dizzee Rascal mächtig Welle in den 00er schob, mault altväterlich im Intro rum, bevor es ihm sein Ziehsohn gleich tut. Die Familie wird eben nicht im Stich gelassen, wie dieser Akt der Solidarität mit dem Grime-Urvater und dessen Beef mit Drake zeigt. Dem kanadischen Superstar die Stirn zu bieten und sich damit höchstwahrscheinlich die Karriere in Übersee zu verbauen, lässt jedenfalls kaum Zweifel an der Integrität zu.

Ehrenmann für die Straßen oder doch schnurrender R'n'B-Tiger? Stormzy wirkt selber unentschlossen. Auf ein "Fuck You, Boris"-Shoutout in "Vossi Bop" folgt meist ein verschmuster R'n'B-Pop wie in "Lesson" oder dem sehr poppigen "Do Better". Er möchte am liebsten alle ins Boot holen, und schaut man sich den Status an, den er sich im Vereinigten Königreich erarbeitete, geht die Rechnung zwischen Kunst und Kommerz (noch) auf.

Die Krone wiegt trotzdem schwer auf dem Haupt, was man der insgesamt glatt gebügelten Produktion anmerkt. Der junge König trägt schwer an seiner Bürde, aber wenn ihm kein Zacken aus der Krone bricht, stehen ihm bestimmt mit Little Simz und Slowthai fähige Lords zur Seite. Grime geht es jedenfalls derzeit verdammt gut, dank Stormzy. Ein paar Kronjuwelen als Geschenke sollten es dann bei der nächsten Ansprache ans Volk doch sein.

Trackliste

  1. 1. Big Michael
  2. 2. Audacity (featuring Headie One)
  3. 3. Crown
  4. 4. Rainfall (featuring Tiana Major9)
  5. 5. Rachael's Little Brother
  6. 6. Handsome
  7. 7. Do Better
  8. 8. Don't Forget to Breathe (featuring Yebba)
  9. 9. One Second (featuring H.E.R.)
  10. 10. Pop Boy (featuring Aitch)
  11. 11. Own It (featuring Ed Sheeran and Burna Boy)
  12. 12. Wiley Flow
  13. 13. Bronze
  14. 14. Superheroes
  15. 15. Lessons
  16. 16. Vossi Bop

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