laut.de-Kritik
Mit einem Bein auf dem Mond.
Review von Florian WeiglNeuer Monat, neue Migos-Soloplatte, und wenn man Kryptologen (und Marketingstrategen) glauben will, hat Offset über Twitter bereits angedeutet, dass er sein Album an seinem Geburtstag (04.12) veröffentlicht, und damit das Prelude zu "Culture III", das man für Januar munkelt, abschließt. Bis dahin wird aber die Glaskugel erstmal wieder abgedeckt und der Blick in Richtung Weltraum geworfen.
Es mag an persönlichen Präferenzen liegen, aber ich finde es am ergiebigsten, über Takeoff zu schreiben, auch wenn das Interesse der Mehrheit bei Quavo oder Offset liegt. Takeoff ist noch frisch, weil er seine Features so vorsichtig wählt, dass er einfach (fast) keine nimmt. Ich weiß 2018 mittlerweile, wie magnetisch Offset in seinen besten Momenten klingt, und ich weiß wie selten und inkonsistent diese sind, dass die Idee einer Soloplatte eher gemischte Gefühle auslöst. Takeoff dagegen hat Tabula Rasa und macht das Beste daraus.
"The Last Rocket" ist in seiner Struktur durchdachter als man erwartet. Bevor Auto-Tune und riskantere Stimmakrobatik übernehmen, gibt "Martian" einen schlichten Einstieg. Takeoffs Stimme zeigt sich nackt und in ihrem besten Bariton, der Flow-Switch von Chorus zu Verse ist geschmeidig, Bars werden angedeutet und dann abgeliefert: "President rollie and president tints / Kennedy, they ain't on my element". Nachdem Team-Up mit Quavo ("She Gon Wink") folgt "None to Me" und der Versuch eine These: "You know the culture wave we created is more than a lifestyle".
Der Beweist steht noch aus, aber der Unterschied, der hier aufgemacht wird, ist am Ende persönlich: "And I'd still rather be rich than famous / I seen it with my own eyes / My brother changed up on me for dead guys" sagt mehr über die Bürde so früh so berühmt zu sein aus, als wenn Takeoff mehr Uhren flext, als man Zeit hat. Es sind seltene Momente, die gleichberechtigt neben den üblichen Fronten und konstanter, lässiger Misogynie ("Casper" ist von Durchgang zu Durchgang unhörbarer) stehen und darum so kostbar sind. Wann immer das Album sonst versucht auf diesen Level zu kommen ("I Remember", "Insomnia") unterliegt es dem alten Reflex sich selbst im Selbstmitleid einfach noch ein bisschen zu geil zu finden. (Grüße an Drake und Future hier!)
Es hilft, dass Takeoff immer präsent ist und offenbar Spaß hat. Man hat nicht gelebt, wenn man nicht gehört hat, mit welchem Gusto er beispielsweise die S-Laute in Slim Shady aufschleckt. Auch die Beats gehen zurück auf die Basics. Die sanften Pianowischer auf "Vacation", der gepitchte Stimmenloop auf "Last Memory" Ist Quavo immer noch derjenige in der Gruppe mit der besten Pop-Sensibilität ("Champagne Rosè" schenkt nach), ist "Infatuation" für Takeoff definitiv ein Schritt in die richtige Richtung.
Abschließend noch kurz zu der Stellung des Albums in dem Genre an sich. Die Beschleunigung im Hip Hop führt dazu, dass die Erwartungshaltung an die Künstler einfach immer unverhältnismäßiger wird. Niemand schreibt 2018 sein bestes Album mit dem Debüt. Die Narrative, dass Takeoff mit diesem Album nicht nur seine Position innerhalb der Gruppe, sondern auch im Vergleich zu einer ganzen Generation festigen muss, ist einfach lächerlich und nimmt entsprechenden Raum für Entwicklung. Hier ist genügend Talent am Werk, das auch abseits von Migos und Trap funktionieren kann, wenn man ihm nur genügend Zeit lässt.
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