laut.de-Kritik

Warme Klänge schützen vor dem Schritt ins Depressive.

Review von

Ein zartes Piano reiht harmonische Skulpturen aneinander. Sanft wogende Streicher umhüllen die Figuren. Dezente Elektro-Rhythmen erden und einen als dritte Kraft beide Klangpole. Doch während man bereits verträumt dahin schwelgt, schieben Tale Of Us den Hörer bereits gen Abgrund in Moll. "Endless" heißt das meisterlich Debütalbum des in Berlin lebenden italienischen Duos.

Zehn Tracks ergeben eine Suite herausragender, klanglicher Verführungskunst. So entsteht ein intensiver Toast auf das Leben in all seinen widersprüchlichen Facetten. Selten klingt die Platte himmelhochjauchzend, oft recht bedrohlich, kurz vor der Schwelle des Trübsinns.

Alles zusammen berührt nicht nur, sondern wirkt in seiner emotionalen Intensität regelrecht berückend. Ist das nun Filmmusik, Klassik, Ambient oder gar Dark Ambient? Eher experimentell oder doch auch für Lounge-Fans? Tale Of Us alias Conte/Milleri verweigern geschickt all zu eng gefasste Schubladen. Alles Aufgezählte darf als Klangfarbe widerhallen. Jede Nuance erhält ihr eigenes Echo im Kanon packender Gefühle.

Das Geheimnis ihres Könnertums liegt womöglich in den zwei Herzen der Tale Of Us-Brust. Das eine schlägt seit Jahren für Deep House, Dance und intelligenten Techno. Hier haben sich die beiden Wahlberliner längst einen Ruf wie Donnerhall erspielt.

Auf der anderen Seite steht ihre von Kindesbeinen an gelebte tiefe Liebe zur klassischen Musik (etwa Rachmaninow) sowie die spätere Verehrung zeitgenössischer Komponisten wie Glass oder Max Richter. Keine Überraschung mithin, dass diese exquisiten zehn Stücke von der ehrwürdigen Deutsche Grammophon verlegt werden.

Die Grundstimmung auf "Endless" transportiert über weite Strecken sehr urbane Melancholie, verbunden mit einer Empfindung echten Ausgeliefertseins. Vertonte Einsamkeit in Slow-Motion, randgefüllt mit verwaisten, nächtlichen Straßenschluchten gleichgültiger Großstädte. Trostlos schwarzlichternde Soundscapes dominieren längst alles - ein Wurm steckt in ihrem Big Apple und kippt alles gen letzte Ausfahrt Gotham.

Dabei schützt ein warmer Klangmantel vor dem drohenden Schritt ins Depressive. Die Musik darf und soll in der Tiefe gründen, aber nicht als Downer fungieren. So treffen Tale Of Us souverän und eigenständig dort ein, wo ältere Brüder wie Bohren Und Der Club Of Gore (mit "Sunset Mission" und "Black Earth") und David Lynch bereits seit längerem ihre Zelte aufschlagen. Das geisterhafte Piano erinnert an den großen Klassik-Ambient-Magier Harold Budd ("The Room"). Als Anspieltipp empfehle ich das dräuende Doppel "Definizione Dell Impossibile"/"Alla Sera".

Aus diesen dunklen Gewässern erheben sich Inseln nahezu Einaudi-esker Seligkeit, deren harmonisches Balsam alle waidwunden Blessuren heilt (etwa das anmutige "Dilemma" oder das flirrende "Venatori"). Tale Of Us kreieren durch den gelegentlichen Wechsel eine höchst effektive Dramaturgie, deren Zauber sich mit jedem Hördurchgang mehr und mehr erschließt. Nicht das Album ist ein Grower. Der Hörer wächst nach und nach in die Brillanz des Albums hinein.

Im Schlussakt "Quello Que Resta" vereinigen sich beide Ströme zum mystischen Höhepunkt. Aus dem regnerischem Echo steigen sanft pulsierende Rhythmen hervor, die zumindest die wage Möglichkeit eines - zwar nicht Happy Ends - wohl aber doch erträglichen Endes auf dem Pfad des Lebens in Aussicht stellt.

Trackliste

  1. 1. Definizione Dell'Impossibile
  2. 2. Alla Sera
  3. 3. Ricordi
  4. 4. Oltre La Vita
  5. 5. Dilemma
  6. 6. Notte Senza Fine
  7. 7. Destino
  8. 8. Distante
  9. 9. Venatori
  10. 10. Quello Che Resta

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LAUT.DE-PORTRÄT Tale Of Us

Wer im Jahr 2011 mit einem Release zur Gesprächsthema sämtlicher DJ- und Produzenten-Kreise in Berlin aufsteigt, der muss irgendetwas richtig machen.

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