laut.de-Kritik
Klangverliebter Tribut an den amerikanischen Rostgürtel
Review von Matthias Manthe"Das Ashley-Buch der Knoten ist über 600 Seiten stark, enthält 3854 Einträge mit mehr als 7000 Zeichnungen, die über 2000 verschiedene Knoten darstellen." Okay, der heilige Zweckverband Google/Wikipedia hilft zumindest unter der für naheliegend befundenen Suchanfrage "Buch der Knoten" ausnahmsweise nicht aus dem Dunkel.
Es gilt sich also am dünnen Leitfaden gen Licht zu orientieren, der diesem nymphomanischen (weil chronisch Stile paarenden) Bastard von einem Langspieler freundlicherweise beigelegt wurde. Das Stück Papier weiß von großen Ambitionen zu berichten: Rekrutiert aus dem Umfeld von u.a. Frank Black, Elvis Costello und den Superhelden des US-Undergrounds Pere Ubu, geben The Book Of Knots die ad hoc-Grenzwärter einer konzeptionellen Rahmenhandlung. Ihr Plan: Drei Alben, drei Widmungen an die Schattenparkplätze der United States of.
Nach dem Erstwerk, einer "Ode an verfaulende Seeküstenstädte", erfolgt jetzt die Würdigung des sogenannten Rostgürtels. Der Ruhrpott des Nordostens sozusagen. Seit dem Niedergang der dortigen Schwerindustrie in den 60ern bilden ausrangierte Schaufelbagger, Fabriken und Arbeiterbaracken lange nutzlose Reihen in der Landschaft. Manchen mag das nostalgisch stimmen, das New Yorker Kollektiv aber lässt für sein Tribut die Samthandschuhe im Schrank.
Dank einer propperen Gästeliste, die von Lydia Lunch-artigen Gesängen bis zum living classic Tom Waits in Sachen Variantenreichtum nichts anbrennen lässt, pendelt "Traineater" fortwährend: zwischen Industrial-Endzeitszenario, Geisterstadt-Blues, Spoken Word-Lamento, Noise-Polka und noch vielem mehr. Zig Klangmacher fallen dabei vom Baukran, so dass am Ende der Stücke oft ein halbes Orchester Krawall schlägt. Erinnert häufig an die Neubauten oder an die norwegischen Experimental-Postrotzkis von Cleaning Women. Nur dass hier der Rahmen noch weiter gedehnt wird.
Ganz viel Violine und Klavier unterfüttern das Rocksetup, während im Hintergrund diverse E-Pianos Töne auf Tapeloops, Tuba, Theremin und Harfe verschütten. Das wirkt windschief wie die besagten Metallkolosse des Rostgürtels, ist aber weit entfernt vom Zusammenbruch. Definitiv keine ungenießbare Installation fürs Museum, sondern kontemporäre, theatralische, performanceartige Gitarrenmusik für alle, die "Herausforderung" richtig, extragroß und vor allem mit Ausrufezeichen schreiben.
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