laut.de-Kritik

Die Rock-Flagge flattert auf Halbmast.

Review von

Satte zwanzig Monate schlugen sich die beiden "Mothertrucker" Alec Völkel und Sascha Vollmer die Nächte um die Ohren. Warum? Nun, die beiden Zugpferde der BossHoss waren sich sicher: Nur in der Nacht könne man all das einfangen, das es braucht, um das große Ganze auf ein neues Rock-Level zu hieven.

Drei Jahre nach dem musikalischen Kunterbuntpaket "Dos Bros" soll es so richtig krachen im Gebälk. Zitat Alec Völkel: "Heutzutage bekommt man überall nur sterile und glatt gebügelte Popmusik zu hören. Uns fehlt dieser Kick, die Unberechenbarkeit, die Gefahr. Wir haben schon immer die Rock'N'Roll-Flagge hochgehalten - aber noch nie so hoch, wie mit dieser Platte." Peng! Der Schuss ist laut. Aber trifft er auch ins Schwarze?

Der eröffnende Titeltrack bringt jedenfalls schon mal ordentlich Dampf auf den Kessel. Der trockene, von blechernen Gitarren befeuerte Rocker macht durchaus Lust auf mehr. Auch das anschließende "In Your Face" zieht im Refrain die Gurte an. Mit markanten Bläsern im Gepäck treten die Spree-Cowboys aufs Gaspedal.

Ab Minute sieben latschen The BossHoss dann aber aus unerklärlichen Gründen auf die Bremse. Plötzlich rumpelt es ganz gewaltig. Die angezerrten Gitarren verschwinden im Hintergrund. Von einer Sekunde auf die andere hat man das Gefühl, man lausche einem Filler aus dem Soundtrack für die kommende Dschungelbuch-Neuverfilmung ("AYO"). "Till I Want No More" schlägt in die gleiche Kerbe. Wer schon immer wissen wollte, wie es klingt, wenn Balu den Elvis-Imitator mimt, kommt hier voll auf seine Kosten.

Die zu Beginn noch in luftiger Höhe flatternde Rock'n'Roll-Flagge hängt auf Halbmast. Bevor die Wildwest-Experten gegen Ende noch einmal die Amps anschmeißen und das Erbe von T.Rex und Iggy Pop mit Füßen treten ("Road Fever", "Cook It Up"), galoppiert die Kavallerie ganz ungeniert mit Sack und Pack durch die Pop-Prärie.

Mit Beats aus der Maschine und immer wieder in den Vordergrund rückenden Blechbläsern geht es schnurstracks in Richtung Soul-Pop-Olymp. Aber bereits auf halbem Wege verirrt man sich im Tralala ("She", "Little Help", "Prison Of Passion")

Da stehen sie nun und machen große Augen: zwei durchaus offene und experimentierfreudige "Mothertrucker", die auf dem Pfad der Befreiung die Grenzen aufgezeigt bekommen. Der Rock ist tot, und die Pop-Schiene führt hier und heute auch nicht ins Ziel. "What Could Possibly Go Wrong", fragen sich Sascha und Alec kurz vor der letzten Scotch-Runde. Oh, so Einiges, meine Herren!

Trackliste

  1. 1. Black Is Beautiful
  2. 2. In Your Face
  3. 3. AYO
  4. 4. Till I Want Nor More
  5. 5. She
  6. 6. Little Help
  7. 7. Prison Of Passion
  8. 8. Wrong Song
  9. 9. Good Deed
  10. 10. Road Fever
  11. 11. Smile
  12. 12. Cook It Up
  13. 13. What Could Possibly Go Wrong

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5 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Ist mir meistens zu hart, werde aber trotzdem mal rein hören...

  • Vor 6 Jahren

    Also wer sein Album so nennt... das ist doch typisch deutsche Möchtegernscheisse.

  • Vor 6 Jahren

    Yep, mehr Rock sollte es in dem Album geben, mehr Ecken und Kanten, gefunden habe ich die Aussage nur sehr selten. Ich mag die Beiden, Ihre Musik Ihren Stil. Habe mehr erwartet. Als Fan kann man vielleicht noch 3 Sterne vergeben,.. als Kritiker gehen 2 Sterne absolut in Ordnung

  • Vor 6 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 6 Jahren

    Alec Völkel hat wirklich Humor. Ich hab keine Ahnung, was die „Dos Bros“ privat im Herrenzimmer auf Ihren Klampfen spielen, vielleicht knallen sie dort ja den absoluten Rock’n’Roll raus, aber „glatt gebügelt, berechenbar und steril“ sind eigentlich 1A Bezeichnungen für deren bisherigen und auch aktuellen Boss Hoss Output.

    The Boss Hoss ist Rockmusik für Menschen, die Rockmusik hassen. Da paaren sich unerträgliche, amigos-artige Schlagzeugbackings mit einem völlig austauschbaren Gitarrensound, der ähnlich bieder, lahm und talentlos daherkommt wie beim langhaarigen Teenie in der Kirchenband. Mit zweiterem hat man jedoch noch Mitleid, denn der gaukelt allen nur den Kirchen-Hansi vor, weil er seine Firmvorbereitungsstunden möglichst schnell voll bekommen und sich vom Firmgeld seiner Verwandten endlich seine erste richtige Les Paul kaufen will.

    Wehe dem, der schmatzenden Leadsound oder mitreißende Riffs erwartet, denn ** Achtung Spoiler ** zu keinem Zeitpunkt gibt es irgendwas von beidem auf die Ohren. Egal wie die Nummer auch heißen mag, da ist kein Blues, kein Boogie, kein Shuffle, kein Gefühl. Ich möchte nur an dieses verstümmelte „Jolene“ erinnern, das weder ein adäquates Tribute an Dolly Parton war, noch eine genial herzzerreißende Alternative darstellte, wir es etwa The White Stripes Jahre zuvor gemacht hatten. The Boss Hoss waren schon immer näher an Wolfgang Petrys „…fühle, …fühle, …fühle“ als an den Gefühlen, die ihre große Idole heute noch bei Zuhörern erzeugen. Und ehrlich, würden sie zugeben, Pop zu machen, dann wäre dass ja auch nicht weiter schlimm – dann wären sie halt eine kurzweilige RadioPop/Rock Geschichte wie jede andere. Doch leider inszeniert man sich ständig als die besser erzogene Version der Sons of Anarchy oder als the fucking unknown Zwillingskinder of Johnny Cash and June Carter. So „volks-rock’n’rollt“ man halt besser.

    Als wäre dies nicht alles schon gabalieresk genug, kombiniert man das sowieso schon poppig totgerittene Gesamtkonstrukt dann noch mit (gefühlt scheußlichen Keyboard-)Bläsersounds, wie man sie ähnlich steril nur von gaaaaanz alten SKA-P Alben kennt. Und Überraschung, ähnlich einem Mark Forster Tracks dienen diese nicht sich selbst, als musikalisches Stilmittel zur Erweiterung des Songhorizonts, sondern lediglich als Ankündigung eines Refrains oder als Fill-In während einer langweiligen Strophe/Bridge (oder weil der Takt noch so lange dauert und bei den Aufnahmen niemand im Studio anwesend war, der in der Lage war, mal eben ein geiles Gitarren-Lick reinzukloppen).

    Doch schließen wir das Instrumental-Bashing ab, ich gebe ehrlich zu: die beiden können „schon auch“ [bitte in Jogi Löw-Stimme lesen] singen, aber warum denn immer wie die Donald-Duck-Version eines Johnny Cash’? Da schnuddelt man irgendeinen Schulhof-Englisch-Käse mit Reimen von Reimemaschine.de (fire, wire, higher / love, above, enough) in einem Dialekt ins Mikrofon, wie man ihn höchstens aus der „Jack Daniels Tennessee Whiskey Werbung“ kennt und meint dabei den krassesten Südstaaten-Refrain-Shit abgeliefert zu haben seit Kid Rocks „I’m a cowboy“. Also wenn dass so einfach ist, dann mach ich demnächst eine schwedische Doom-Metal-Band auf und klau mir einfach den Dialekt aus der Ikea-Werbung, damit ich voll 100% Credibility ausstrahle. Mal ehrlich, weder die mittelmäßigen „English G 2000“-Lyrics noch deren gesanglichen Beitrag kann man da doch wirklich ernst nehmen.

    Die Jungs mögen meinetwegen privat in Ordnung sein und auch bei „The Voice“ ein sympathisches Gesamtbild abgeben, doch unterm Strich sind sie zu handsam und unachtsam, um im angepeilten Genre jemals musikalisch wirklich mal einen großen Wurf zu machen und musikhistorisch relevant zu sein.