laut.de-Kritik
Verdammt in alle Ewigkeit: Die Geburt von Punk und Gothic.
Review von Ulf KubankeBands, die als Pioniere ein Genre aus der Taufe hoben, gibt es nicht gerade wie Sand am Meer. Jene, die gleich zwei Richtungen prägten, muss man geradezu mit der Lupe suchen. The Damned gehören in letztere Kategorie. Einerseits machten sie neben den Sex Pistols und Stiff Little Fingers den Punk klar. Kurz darauf erfanden sie gemeinsam mit Bauhaus, The Cure oder Sisters Of Mercy Gothic Rock. Mit der 39 Songs umfassenden Werkschau "Black Is The Night" zollen sie beiden Facetten gebührende Aufmerksamkeit.
In den 43 Jahren ihres Bestehens kristallisieren sich zwei ungleiche Freunde als Hauptakteure heraus: Sänger Dave Vanian ist ein eleganter Gentleman mit Faible für Sportwagen und Filme. Als Markenzeichen trägt er stets eine silberne Strähne im Haar. Ray Burns alias Captain Sensible dagegen bevorzugt Züge, hält Filme für Zeitverschwendung, gibt gern den Provokateur und trägt als Markenzeichen stets ein Barett. Genau diese Unterschiede in Stil und Gemüt ergänzen sich musikalisch ideal.
Frühe Klopper wie "New Rose" oder "Neat Neat Neat" (beide von "Damned Damned Damned") umweht längst mehr als nur ein Hauch von Geschichte. "New Rose" gilt als erste chartende Punksingle überhaupt. Letzteres mauserte sich zum internationalen Evergreen und fand in etlichen Filmen - von den Simpsons bis zuletzt "Baby Driver" - Verwendung. Als beste LP dieser ersten Phase empfiehlt sich ihr drittes Album "Machine Gun Etiquette" von 1979, dessen Titelstück sie hier perfekt zwischen beide Klassiker in die Tracklist packen.
Als Musiker entwuchsen The Damned dem reinen Punkrock recht schnell. Trotz des großen Respekts, den vor allem Sensible der Szene bis heute entgegenbringt, stand ab 1980 künstlerische Weiterentwicklung im Vordergrund. Mit "Curtain Call" schlugen sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Musikhistorisch handelt es sich um eines der ersten, prägenden Gothic-Alben. Goth-Pate Vanian steht hier deutlich im Vordergrund.
Zudem konterkarieren sie den dunklen Touch mit Sensibles Vorliebe für schräge Psychedelik analog früher Pink Floyd samt eingebauten Bläsern und Saloonklavier. Kein Wunder, dass sie sich ausgerechnet Syd Barrett als Produzenten ersehnten. Die Anfrage scheiterte jedoch, da Barrett damals schon längst zu entrückt und angeschlagen war. Besonders das hier vertretene Titelstück führt auf gut 17 Minuten gotisches Pathos und verspielte Psychedelia kongenial zusammen. Rein künstlerisch betrachtet, handelt es sich womöglich um ihren besten Track im Katalog.
"Shadow of Love", "Grimly Fiendish" und "Street Of Dreams" beleuchten die hervorragende 1985er-Platte "Phantasmagoria". Sensible widmete sich damals seiner ebenfalls beachtenswerten Solokarriere ("Wot"), war offiziell nicht Teil der Band, taucht aber als Gast auf. Vanians entsprechend deutlicher Kajal-Stempel prägt eines der besten Gothic-Alben aller Zeiten. Mit der hier ebenfalls vertretenen Single "Eloise" - einer Interpretation des gleichnamigen Stücks von Barry Ryan - landeten sie ihren erfolgreichsten Hit. Wer sich für "Phantasmagoria" interessiert, achte besonders auf das Cover-Artwork: Das Foto ziert Model Susie Bick, heute bekannt als Gattin Nick Caves, der das Bild schon damals bewunderte.
"Democracy" (von "Grave Disorder") ist der einzige Song dieser Zusammenstellung, auf dem man Patricia Morrison am Bass hört. Morrison ist nicht nur seit langem Vanians Ehefrau. Sie spielte gleich in drei legendären Formationen: Sisters Of Mercy, The Gun Club und eben hier. "Standing On The Edge Of Tomorrow" hingegen steht für ihre gefeierte Comeback-Scheibe "Evil Spirits", für die man 2018 Producer-Ikone Tony Visconti (David Bowie, T.Rex) gewinnen konnte.
Zum guten Schluss dieses rundum gelungenen Sets servieren sie mit "Black Is The Night" noch ein brandneues Lied. Stilecht huldigen The Damned hier einmal mehr Vanians Liebe zu den alten Gruselklassikern der Hammer-Studios.
Noch keine Kommentare