laut.de-Kritik

Göttliche Gröl-Hooks nach dem Tarantino-Coup.

Review von

The Heavy ain't nuthin ta fuck wit: Würden all die für rohe Soul-Power empfänglichen Menschen die drei bisherigen Platten dieser mächtigen, britischen Band kennen, wäre das auch keine Neuigkeit. Da dem aber leider nicht so ist, muss ich es wieder und wieder runterbeten, dieses Mal zum Zwecke der Lobpreisung von "Hurt & The Merciless", Studioalbum Nummer Vier seit 2007.

Die Vorzeichen für Standing Ovations seitens der großen Masse stehen nun sogar günstiger denn je: Quentin Tarantino adelte den Soulrock-Vierer gerade mit der Integration der "Glorious Dead"-Hymne "Same Ol" in seinen "Hateful Eight"-Streifen, und auch wenn die Nummer nicht auf dem Soundtrack landete, so erfuhren doch einige Kinogänger dank Google-Suche mehr über die Urheber dieses orchestralen Opus.

Und als das letzte Konzert zur "Glorious Dead"-Tour längst gespielt war, klopfte 2013 ein amerikanischer TV-Sportsender an und bat darum, den Song "How You Like Me Now?" für American Football-Werbespots mit 50 Cent (!) neu einzuspielen. Auch in Adam McKays Finanzkrisen/Zockerfilm "The Big Short" ist die Nummer zu hören.

Und was machen The Heavy? Betiteln ihr neues Album im Stile eines künftigen Tarantino-Films und legen einige der stärksten Songs ihrer Karriere vor. "Since You Been Gone" macht gleich klar, dass hier kein langsamer Shoot-Out geboten, sondern gleich alles abgefackelt wird. Die Akkuratesse, mit der die Beats einschlagen, Bass und Gitarren brodeln und die Trompeten niederregnen, würde selbst einem Pedanten-Genie wie James Brown keinerlei Gründe für Timing-Strafzahlungen an die Adresse seiner Rhythmusgruppe geben.

Nach der erwähnten, von Schlagzeuger Chris Ellul vorangetriebenen, rüden Eröffnung samt Wah-Wah-Dauerfeuer zieht der Uptempo-Soul von "What Happened To The Love?" endgültig alle auf den Dancefloor. Für überbordenden Druck waren The Heavy schon zuvor bekannt, was "Hurt & The Merciless" von den bisherigen Platten unterscheidet, ist eine ausdifferenzierte Produktion, die den Dreck des Rock'n'Roll mit den charmanten Hooks des Soul zusammenbringt und dabei mit zahllosen pointiert gesetzten Breaks und Tempowechsel die Aufmerksamkeit oben hält.

Ob die Bläser wie in "Not The One" den Refrain an sich reißen, "A Ghost You Can't Forget" losrollt wie "Hit The Road Jack", dann aber wie auch "Mean Ol' Man" auf das Wechselspiel mit dem Background-Chor setzt: Dieser unerbittliche Vintage-Groove basiert zu gleichen Teilen auf Können, Erfahrung und jeder Menge ausgezeichneter Vinylkäufe. Selbstverständlich ist auch Ray Charles für die Briten kein fremder Name, zu liebevoll klimpert zu Beginn von "Turn Up" das Piano in dessen Geiste los, bevor die Party mit der Stilsicherheit der anderen Soulfunk-Bewahrer Sharon Jones & The Dap-Kings weiter brettert.

Sänger Kelvin Swaby, der nach einer Scheidung als Familienvater gerade nicht die besten Zeiten seines Lebens genossen haben dürfte, legt sämtliche Facetten menschlicher Emotionen in seinen kratzigen Vortrag und verarbeitet seinen Schmerz in intensiven Songs, die die Pole Motown und Neo-Blues wie keine andere Band zu verschmelzen weiß. Maximal noch die Detroiter Dirtbombs fallen mir hier ein, die aber deutlich mehr Rock-Schlagseite aufweisen.

Und noch mal zum Thema Kommerz: Lupenreine Singalongs wie "Miss California" sollten problemlos auch 08/15-Radiosender erobern, die man bekanntlich für den großen Durchbruch benötigt. Die Hymne des Albums ist jedoch ausgerechnet die orchestrale Nummer "Nobody's Hero", die ihre Kraft ähnlich der jüngsten Iggy Pop-Platte "Post Pop Depression" aus der Kunst des Minimalismus zieht: Akustikgitarre, Handclaps, hier auch mal waidwunde Melancholie und eine göttliche Gröl-Hook für nüchterne und beschwipste Nächte.

Wie fragte Jon Spencer 1998 auf dem vergessenen Meisterwerk "Acme": Do You Wanna Get Heavy? Die Antwort steht schon lange fest: Damn sure!

Trackliste

  1. 1. Since You Been Gone
  2. 2. What Happened To The Love?
  3. 3. Not The One
  4. 4. The Apology
  5. 5. Nobody's Hero
  6. 6. Miss California
  7. 7. Turn Up
  8. 8. A Ghost You Can't Forget
  9. 9. Last Confession
  10. 10. Mean Ol' Man
  11. 11. Slave To Your Love
  12. 12. Goodbye Baby

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