laut.de-Kritik
Hier trampelt ein Stil-Koloss durch die Musikgeschichte.
Review von Michael SchuhSpärlicher Applaus brandet auf nach dem letzten Zutons-Stück "Moons And Horror Shows". Es sind nur ganz wenige, die da klatschen, was einen schnell an jene leidigen Club-Erfahrungen denken lässt, wo man gerade den Auftritt einer Wahnsinnsband miterlebt, dieses Glück aber nur mit etwa 20 Leuten teilt. So geschehen bei The Warlocks in Zürich und vor kurzem bei M.A.S.S. in Berlin, wie Kollege Henze konsterniert feststellte.
Doch im Gegensatz zu den aufstrebenden Punkrockern von M.A.S.S. stehen The Zutons schon eine Stufe höher auf der Popularitätsleiter: ihren Song "Pressure Point" befand der NME als "erste gute Single des Jahres 2004" (was wir mal als Kompliment für die Zutons deuten), mit den Labelkollegen von The Coral sind einigermaßen bekannte Fürsprecher am Start, die ihnen mit Ian Broudie (Lightning Seeds) gleich den hauseigenen Produzenten rüberschickten und als Heimat des Quintetts fungiert schließlich das pophistorisch nicht gerade unbelastete Liverpool. An die berühmtesten Söhne der Stadt erinnert dann aber höchstens der Sgt. Peppers-Schnauzbart auf dem trashigen Horror-Comiccover.
Auf "Who Killed The Zutons?" erschaffen die Newcomer einen ambitionierten Stil-Koloss, der durch den reichhaltigen Fundus der Musikgeschichte trampelt, wie die übergroßen Monster im Cover-Booklet. Schön nachzuhören in den ersten vier Stücken, bei denen die Zutons ihr ganzes Können aufbieten. Zunächst der knochentrockene Versuch, ein Surfriff mit einem Saxophon-Solo zu kreuzen und dann in ein saftiges Rock-Finish abgleiten zu lassen.
Dann die rechtmäßige NME-Würdigung: "Pressure Point" elektrisiert und atmet den Soul, den die Zutons bei Sly & The Family Stone geborgt haben wollen, in "You Will You Won't" kehren sie ihren Rock'n'Roll-Background hervor und "Confusion" zeigt, wie herrlich unpathetisch Balladen doch klingen können.
Danach gehen die Jungspunde mit ihren vorgezeigten Stärken etwas zu lax um, was man daran merkt, dass einem plötzlich andere Bands wie Gomez oder eben The Coral in den Sinn kommen. Ins federleichte "Railroad" schummeln sie noch ein großartiges Break, und nach dem Opener darf auch der fahrige Jam in "Dirty Dancehall" noch einmal nachdrücklich Captain Beefheart huldigen, ehe die harmonische, in Teilen aber recht sperrige Rock-Vorstellung im lässigen Country-Takt zu Ende geht. Kein Grund, nicht zu applaudieren.
Noch keine Kommentare