laut.de-Biographie
Thought Industry
In den späten 80ern macht eine Band aus Kalamazoo, Michigan, mit sehr komplexem und irrwitzig intoniertem Metal auf sich aufmerksam. Desecrator, die zu dieser Zeit aus Brent Oberlin (voc/b), Dustin Donaldson (dr), Ran Roe (g) und Christopher Lee (g, nicht verwandt mit der Schauspiellegende) bestehen, tönen in bester Tradition von Bands wie Anacrusis und Voivod und einem guten Schuss Watchtower – nur noch verrückter.
Als Steve Spaeth den Platz von Roe an der Gitarre einnimmt, ändert sich auch der Name in Thought Industry, und das erste Demotape entsteht. Nach diesem zieht Spaeth schon wieder von dannen und macht Platz für Paul Enzio, mit dem die Jungs einen Gig im State Theatre spielen. Auf diesem lümmelt sich auch ein Kerl namens Jason Newsted rum, der zu dieser Zeit noch Basser bei Metallica ist. Er zeigt sich von Thought Industry begeistert und verhilft ihnen zu einem Deal mit Metal Blade. In der folgenden Zeit soll sich diese Band zu einem Vorreiter für seltsame Platten- und Songtitel entwickeln ...
"Songs For Insects" nennt sich das Debütalbum und genauso verrückt und genial, wie das Cover von Salvator Dalí, ist auch die Musik darauf. Es erscheint im Juli 1992 und lässt so manche Kinnlade gen Erdmittelpunkt sinken. Jeder Song hat beinahe mehr Riffs und Breaks, als anderen Bands auf kompletten Alben, und doch sind die Songstrukturen nachvollziehbar, weil allem eine unglaubliche Leichtigkeit anhängt. Als wäre das nicht genug, spicken sie ihre Songs auch noch mit Lyrics, die manch einem Philosophie-Studenten ein großes Fragezeichen ins Gesicht zaubern dürften.
Auch das im Oktober '93 folgende "Mods Carve The Pig: Assassins, Toads And God's Flesh" steht dem in nichts nach. Viel mehr ist die Mischung aus Metal, Folk, Country, Industrial, Jazz und jeder Menge progressiver Elemente noch vertrackter geworden. Es benötigt einiger Durchläufe, ehe auch nur ein Song wirklich im Ohr hängen bleibt. Dafür lässt jeder Durchgang eine neue Kapriole erkennen. Nach und nach offenbaren sich die Songs dem Hörer.
Nach dem Album verlässt Drummer Dustin die Band, und es scheint eine Zeit lang ungewiss, ob es weiter geht oder nicht. Klarheit verschafft das Anfang '96 erscheinende "Outer Space Is Just A Martini Away". Daran beteiligt sind die beiden Neuen Jared Bryant (dr) und Herb Ledbetter. Herb übernimmt den Bass von Brent, da sich dieser mehr auf den Gesang konzentrieren will. Jared war aber schon auf dem Debüt als Background-Sänger mit dabei und hat mit Brent bereits "Genius Hired Guns" für ein Nebenprojekt der beiden eingespielt. Das dritte Album zeigt sich ein ganzes Stück ruhiger und geradliniger. Das macht die Musik zwar leichter konsumierbar, lässt aber den von Fans geliebten Wahnwitz vermissen.
Christopher ist der nächste, der Thought Industry verlässt, da er seinen Wohnsitz inzwischen in Chicago hat. Somit übernimmt Brent die zweite Gitarre und das musikalische Bild der Gedankenfabrik ändert sich vollkommen. Das im Juni 1997 erscheinende "Black Umbrella" offenbart eine düstere, melancholische Seite der Band, die man so noch nicht gehört hatte. Vorbei waren die spieltechnisch brillanten Eskapaden und die verrückten Breaks. Stattdessen schien die Grunge-Welle auch Oberlin und Co. zumindest gestreift zu haben. Obwohl das Album bei weitem nicht schlecht ist, hat es mit den alten Scheiben kaum mehr was gemein.
Bei der nächsten Veröffentlichung "Recruited To Do Good Deeds For The Devil" gibt es eine Art Best Of-Scheibe zu hören. Neben bekannten Studiosongs gibt es Live-Aufnahmen, Studio-Outtakes und ein paar weitere Raritäten. Herb gehört zu dieser Zeit schon nicht mehr zum Line-Up. Seinen Platz nahm Mike Roche ein, der bereits die beiden letzten Scheiben produzierte und eine Art fünftes Bandmitglied darstellte. Doch bevor das neue Studioalbum das Licht der Welt erblickt, verlassen auch Paul und Jared das Bandgefüge. Brent und Mike stehen also mit einem halbfertigen Album da und müssen sich schnell nach einem Drummer umsehen. Den finden sie in Cam Taylor und mit Jeff Borkowski stößt auch ein Keyboarder/Gitarrist hinzu. Dieses Quartett veröffentlicht 2001 "Short Wave On A Cold Day" und stellt damit erneut seine Ausnahmestellung unter Beweis.
Da sich die anderen Alben der Band in Europa nur sehr schleppend verkauften, kann sich Metal Blade nicht dazu durchringen, die Scheibe auf dem alten Kontinent in die Läden zu stellen. Die letzten Auftritte von Thought Industry finden 2002 statt. Obwohl niemals ein offizieller Schlusspunkt gesetzt wird, gehört die Band der Vergangenheit an.
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