laut.de-Kritik

"Deckel auf, Lieder spielen, Deckel zu, blendend fühlen."

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Mit nur 22 Jahren hat Tiemo Hauer bereits einen freiwillig aufgelösten Universal-Deal sowie das independent veröffentlichte und über 10.000 mal verkaufte Album "Losgelassen" hinter sich. Flux schiebt der Stuttgarter nun seine zweite Platte "Für Den Moment" hinterher, auf der sich im Vergleich zum erst 13 Monate zurückliegenden Debüt eine beeindruckende Weiterentwicklung abzeichnet.

Im Gegensatz zu manch anderem modernen Liedermacher äußert sich Tiemos großes Talent nicht nur in Musik und Text, sondern gerade in deren Umsetzung durch seine charismatische Stimme. Mit Leichtigkeit variiert er auf seinem Zweitling zwischen ganz verschiedenen Tonlagen – hier inbrünstig, dort feierlich, oft nachdenklich, sehr gerne rau, meistens aber voluminös und kraftvoll.

Anstatt seine Gedanken in kryptische Zeilen zu packen, hat sich der Singer/Songwriter dem Klartext verschrieben und wirkt dabei erfrischend ehrlich. So ausgereift und wohl überlegt seine Wortwahl auch erscheint, hört man zu keiner Zeit krampfhaft versuchtes Erwachsensein, sondern stets einen sorgfältig über Liebe und Leben reflektierenden Anfangzwanziger heraus.

Voll ins Schwarze traf man auch mit der Auswahl der instrumentalen Gestaltungsmittel. Binnen eines guten Jahres konvertierte der sehr Piano-lastige Popsound des Debütalbums zur wandlungsfähigen, detailverliebte Mischung verschiedenster Klangeinflüsse. Das Klavier, auf dem Tiemo seine Songs komponiert, spielt zwar weiterhin eine zentrale Rolle, macht jedoch bedeutend mehr Platz für die Gitarrenarbeit.

Dabei wechseln sich helle Akustikgitarren-Klänge ("Grossartig", "Die Kapelle") mit mächtigen Distortion-Wänden ("Alles Vergeht") und bluesigen Soli ("Wer? Ich! Bin.") ab. Die auf "Losgelassen" noch großzügig gesäten Streicher weichen z.B. dem Akkordeon ("Leben Heisst ...") und allen voran der Hammond-Orgel.

Der düstere Ohrwurm "Alles Echt" sorgt mit atmosphärischen Pink Floyd-Synthies und bedächtigem Tempo für Gänsehaut. Auf elektronisch pulsierender Bass-, wirbelnder Snare-Drum und einem eingängingen Klavier-Ostinato baut sich dagegen das vielschichtige "Letzter Akkord" zum erhabensten Stück der Platte auf. Währenddessen sinniert der 22-Jährige in metaphorischen Strophen über Bindungsängste.

"Das Leben ist eines / der Dinge, für die es / sich sicherlich lohnt / zu sterben" - Beim Refrain der eigentümlichen Dreiertakt-Ballade "Die Kapelle" fühlt man sich unweigerlich an den melancholischen Campino der letzten Jahre erinnert. Dazu wächst die Nummer von der einsam schrammelnden Lagerfeuergitarre zum emotionalen Feuerwerk mit Posaunenchor heran.

Zu absoluter Hochform läuft Tiemo Hauer auch mit dem rockigen Sommerhit "Angestrahlt" auf, bei dem schon allein der simple Drumgroove und die verzerrt rumpelnde Bassline ordentlich Laune machen. Für zweieinhalb Minuten entledigt er sich jeglicher Nachenklichkeit und fordert zum ausgelassenen Tanz auf. Denn "Älterwerden musst nicht heißen / dass wir uns in Vernunft verbeißen!"

In Form eines Piano-Instrumentals versteckt sich am Schluss des Albums schließlich der Titeltrack, bei dem dem er beweist, dass man das Notenlesen für die Komposition hübscher Klavierstückchen nicht ansatzweise beherrschen muss.

Und selbstverständlich findet ein derart versierter Texter zuvor beim beschwingten "Leben Heisst ..." auch ein passendes Schlusswort, das seine Songwriter-Passion denkbar treffend auf den Punkt bringt: "Deckel auf, Lieder spiel'n / Deckel zu, blendend fühl'n / Das Leben ist viel schöner mit Musik."

Trackliste

  1. 1. Warum?
  2. 2. Alles Vergeht
  3. 3. Grossartig
  4. 4. Wer? Ich! Bin.
  5. 5. Angestrahlt
  6. 6. Sag's Mir
  7. 7. Letzter Akkord
  8. 8. Gar Nichts
  9. 9. Eigentlich
  10. 10. Mixtape
  11. 11. Alles Echt
  12. 12. Nachtgedanken
  13. 13. Die Kapelle
  14. 14. Leben heisst ...

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