laut.de-Kritik
Wo bitte, Mr. Mosley, sind ihre berühmten "kranken" Beats?
Review von Pascal JürgensZuerst die gute Nachricht: Timbaland hat in den letzten Jahren Beats produziert, die die Hip Hop-Szene schockten. Auf Platten von Missy Elliot bis zu Aaliyah produzierte er Bomben, dass sich die Wände vor lauter Platin nur so bogen. Denn wer kennt sie nicht, die fast schon magischen Beats von "Get Ur Freak On", "We Need A Resolution", "Try Again" ... . Nun die schlechte Nachricht: Wo bitte, Mr. Mosley, sind diese kranken Beats auf ihrer eigenen Platte?
Es fängt schon damit an, dass im Intro eine geschlagene Minute aggressives Gepose die Ohren nervt. "Timbaland, Timbaland, Magoo, Yeah, Yeah, C'mon". Das lässt böses ahnen. Zwar geht der nächste Track "Drop" anfangs noch als ganz passabel durch, artet gegen Ende jedoch in DMX-artige Schreichöre "Bend Over! Bend Over!" aus. Ok, "All Y'All" kann man auch noch akzeptieren, sozusagen als Lückenbüßer zwischen besseren Tracks, aber das darauf folgende "It's Your Night" markiert für mich schon fast das Ende der Platte.
Hier heißt es wirklich durchbeißen: Das ist kein relaxtes durch die Stadt Cruisen, kein hektisches Abzappeln, und noch nicht mal eine romantische Nacht zu zweit; das ist sturzbesoffenes nach hause Schleppen, Schritt für Schritt torkelnd, die Flasche fällt aus der Hand ... Verdammt, ich nehme es niemandem übel, wenn er bei diesem Track die CD aus dem Player nimmt und es sein lässt.
Das jedoch wäre ein Fehler, denn Timbaland sieht es wohl selbst so, dass die Scheibe erst bei Track fünf anfängt, wie uns der Text von "Indian Carpet" erzählt. "Let's get 'em started!". Tada! Ein Intro mit Bläsern und Chorälen, ein frischer Beat mit den klassischen Piano-Samples - so muss es klingen.
Auch an "People Like Myself" kann man kaum vorbei hören. Ich weiß zwar nicht, wie die anglistische Kultur aus Irland, Südengland bzw. der franz. Bretagne es so weit gebracht hat, dass ihre Folklore-Melodien mit Flöte und Rassel im afro-amerikanischen Hip Hop auftauchen, aber schwarze Musik war ja schon immer offen gegenüber neuen Einflüssen. Und das ist auch gut so, das ist Timbaland, wie wir ihn hören wollen.
Es folgen "Roll Out", das dank trockener Beats und elektrisierter Samples den gesetzten Qualitäts-Standard noch aufrecht erhalten kann, und der einzige stilistische "Ausreißer" der Platte: mit "Love Me" quillt eine R'n'B-Ballade samt Radiomoderation, Sternchengeflimmer und schmachzender Frauenstimme aus den Boxen. Hübsch, dank der Zusammenarbeit mit Tweet.
Der Rest der Tracks kann da nicht mehr mithalten. Die größte Enttäuschung von Allen: Der letzte Song mit Label-Kollegin Aaliyah. Wer vor lauter Neugierde so wie ich gleich ans Ende der Platte zappt, wird regelrecht vor den Kopf gestoßen: Soll das Kitsch, Sarkasmus oder ernst gemeinte Kunst sein? Ist die übelst per Computer misshandelte Stimme am Anfang Aaliyah? Kommen die Synthie-Melodien aus dem Casio-Keyboard eines Kleinkinds oder ist das gewollte Naivität, Nostalgie?
Ganz klar, Timbaland beherrscht sein Handwerk, und Magoo kann auch raptechnisch einigermaßen mithalten. Aber mit "Indecent Proposal" verliert Tim Mosley gegen sich selbst: den hohen Standard seiner bisherigen Veröffentlichungen erreicht er nicht.
1 Kommentar
Von seinen 5 Platten (Solo und mit Magoo) ist das möglicherweise die beste, und wenn ich Shock Value weghole sogar mit Abstand.
Von wegen Produzenten-Alben sind überflüssig, sie sind teilweise ein echter Traum in denen sich Überproduzenten wie Timbo richtig austoben können. Diese Scheibe bietet zumindest alles was man sich von ihm wünschen kann, auch wenn sie schon 8 Jahre alt ist.