Porträt

laut.de-Biographie

Tommi Stumpff

Tommi Stumpff ist ein Phänomen. Einerseits ist er der breiten Masse zeitlebens vollkommen unbekannt. Andererseits gehört er zu den einflussreichsten deutschen Musikern der späten 70er und 80er Jahre. Geboren unter dem Namen Thomas Peters verbringt er seine Jugend überwiegend in Brüssel und Paris. Hier entdeckt er die für ihn maßgebenden Vorbilder Jacques Brel und Serge Gainsbourg. Wesentlich mehr relevante biografische Details sind in autorisierter, öffentlicher Form nicht bekannt. Peters ist in den Anfangsjahren ein Meister darin, seine private Existenz nahezu perfekt von der Kunstfigur Stumpff zu trennen. Mit dem Aufkommen von Social Media wird er später mitteilungsfreudiger.

Zu spät, ihr Scheißer: Tommi Stumpff ist tot Aktuelle News
Zu spät, ihr Scheißer Tommi Stumpff ist tot
Der streitbare Düsseldorfer EBM-Pionier förderte den Boom aggressiver elektronischer Tanzmusik in den 1980er Jahren. Nun starb er nach schwerer Krankheit.

Zwischen 1978 und 1982 ist Stumpff ein federführendes Mitglied der berüchtigten Punk-Truppe KFC. Obgleich es die Kapelle - zu der auch der spätere Tote Hosen-Mitgründer Trini Trimpop gehört - nur mit Ach und Krach auf zwei Alben bringt, gilt sie in Szenekreisen als musikhistorisch wichtiges Urgestein deutschen Punktums. Provokation und emotionale Aufstachelung des Publikums setzen sie bewusst als konzeptionelles Stilmittel ein. Ziel ist hierbei das Herauskitzeln der "animalisch, triebhaften Natur des Menschen".

Der simple, limitierte Punkrock des KFC beginnt den studierten Informatiker bald zu langweilen. Seine Solokarriere nutzt er ab 1981 unausweichlich zur Realisierung seiner viel weiter gefassten Vorstellungen von Musik. Seine Tracks sollen elektronischer Natur sein, und dennoch den radikalen Geist früherer Tage bewahren. So entsteht - fast nebenbei - 1982 mit dem Debüt "Zu Spät Ihr Scheißer. Hier Ist: Tommi Stumpff" ein für Deutschland gänzlich neues Genre: Elektropunk. Dieser ist ein Oberbegriff für die Kombination von Punk-Minimalismus und Rotz-Attitüde mit elektronischer Musik.

Begründet von dem New Yorker Duo Suicide, entwickelt sich die Strömung hierzulande um Bands wie Die Krupps, DAF und eben Stumpff. Das Besondere an seinem frühen Output: Der totale Dammbruch jeglicher textlicher Tabus und die fiebrig psychotische Kälte in Songs und Performance.

Gemeinsam mit Produzentenlegende Conny Plank veröffentlicht Tommi Stumpff im selben Jahr die Single "Contergan Punk". In Zeiten der aufgesetzt, pseudofrechen Neuen Deutschen Welle hat eine lyrische Brechstange à la "Die Entarteten greifen euch an (...) Sie Schütteln ihre kleinen Arme in eurem lächerlichen Takt - Contergan Punk!" keinerlei Chance. Stumpffs intelligent konsequenter Sarkasmus im aggressiv antiseptischen Klinik-Sound fördert bei den Medien und in der Öffentlichkeit überwiegend Abscheu und Ablehnung zutage. Die durchaus erwartete Reaktion führt aufseiten des Geschmähten gleichwohl nicht zu einer Demoralisierung. In unregelmäßigen Abständen erscheinen Maxis und Longplayer.

Die verweigerte Anerkennung der Stumpff'schen Klangbrocken verhindert den erheblichen Einfluss auf moderne Elektromusik nicht. So hinterlässt der Mann aus der Stadt mit der längsten Theke der Welt unübersehbar eine nicht minder lange Spur in der internationalen Szene. Auch die ähnlich gestrickten EBM-Ikonen von Front 242 schätzen die frühen Songs des Deutschen. Dem höchst autark denkenden Stumpff sind Meinungen von außen jedoch ohnehin herzlich egal.

Höhepunkt seines künstlerischen Vorreitertums bildet sicherlich "Ultra", die bereits 1989 erschienene Blaupause für den viel später einsetzenden Techno-Boom. Fiese, kleine Wadenbeißer-Perlen aus der Steckdose, wie das typisch sardonische "Lobotomie", werfen die Schatten all dessen voraus, was die Welt Jahre später in den Clubs heimsuchen wird.

Hier gelingt Stumpff auch sein einziger veritabler Underground-Hit in Form des stampfenden Disco-Berserkers "13 Minuten Massaker". Neben den lustig-makabren Lyrics "Blut ... Gehirn ... Massaker im Duett mit einem hörbar amüsierten Kleinkind, besteht die große musikalische Leistung in der Zeitlosigkeit dieses Sounds. Noch Jahrzehnte später wirkt das Lied weder prähistorisch noch antiquiert. 1993 - nach Erscheinen des für seine Verhältnisse mitunter sehr klangästhetischen Werks "Alles Sind Tot" beendet Stumpff seine Karriere urplötzlich, sagt sich von jeglicher musikalischer Tätigkeit los und arbeitet in der IT-Branche.

Ebenso überraschend gründet er 2015 gemeinsam mit Rüdiger Schuster und Vanvalia die Band Stumpff, zu der 2019 noch Sam H. Hunt an der Gitarre stößt. Die Band gibt diverse Konzerte, u.a. auf dem Leipziger Wave-Gotik-Treffen, spielt einige ältere Alben von Tommi Stumpff neu ein und veröffentlicht 2021 mit "Alles Idioten" ihr Debüt-Album. Im selben Jahr spielt Tommi im Rahmen des Lieblingsplatte Festivals in Düsseldorf erstmals seit 1981 wieder mit KFC: Zusammen mit Basser Käpt'n Nuss und Schlagzeuger Markus Boehlke präsentiert er deren zweites Studioalbum "Knülle im Politbüro" aus dem Jahr 1982 in voller Länge.

Am 28. Juli 2023 stirbt Tommi Stumpff nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren.

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