laut.de-Kritik
Ein letztes Tête-à-Tête mit dem Jazz-Giganten.
Review von Michelle-Marie AumannSchmachtend, liebend, seufzend. Und kitschig. Manchmal ist eine Prise Kitsch aber gar nicht so schlecht. Oder auch zwölf Prisen. Die Rede ist von "Love For Sale", einer zwölfteiligen Cole Porter-Compilation, die nicht lieblicher hätte ausfallen können. Gemischt mit der gutmütig-väterlichen Art Tony Bennetts und Lady Gagas überschwänglich anbetendem Verhalten ergibt das einen förmlich überlaufenden Glücksgefühl-Cocktail.
Schon der Titel lässt vermuten, dass die Hörer*innen eine hohe Dicht an Gefühlsduselei erwartet, was zuweilen weniger authentisch als eher überkandidelt wirkt - von Gagas Seite zumindest. Aber dazu später mehr. In Anbetracht der Hintergründe hält man das aber gerne aus, denn die Idee hinter dem Projekt kommt von Bennett, der Lady Gaga nach ihrem ersten gemeinsamen American Songbook-Album "Cheek To Cheek" 2014 darum bat, mit ihm ein weiteres aufzunehmen. Dieses Mal sollte es allerdings ausschließlich aus Cole Porter-Stücken bestehen. Da sich Lady Gaga schon damals wie ein frisch verliebter Teenager verhielt, sobald jemand nur an Tony Bennett dachte, überrascht ihre Zusage keineswegs. Das Ergebnis bekommt man nun aufgetischt.
Sicher, die Idee, Porter-Klassiker aneinander zu reihen, scheint extrem abgedroschen, aber wenn es der Wunsch eines Jazz-Giganten ist, seine unfassbare Karriere mit einem Porter-Album abzuschließen, dann hat man das ohne Mucken abzunicken. Warum sein letztes Album? Bereits 2016 stellte man bei dem heute 95-jährigen Alzheimer fest. Der Arzt empfahl ihm allerdings, weiterhin Musik zu machen - ergo "Love For Sale". Da die Krankheit stetig voranschreitet und mittlerweile in einem Stadium angekommen ist, das weitere musikalische Projekte unmöglich macht, nimmt der Jazz-Titan nun Abschied.
Was den Gesang anbelangt, kann sich auch ein Tony Bennett gewissen Alterserscheinungen nicht entziehen: Seine Stimme hat mit der Zeit an Volumen verloren und ist etwas brüchig geworden. Nichtsdestotrotz stemmt er "So In Love" und "Just One Of Those Things" problemlos alleine. In "I Get A Kick Out Of You" holt er zudem das für sein Alter immer noch beträchtliche Volumen heraus, womit er Lady Gagas Röhre in kaum etwas nachsteht. Außerdem strahlt das etwas Brüchige ein gewisses Flair aus, das der gesamten Platte guttut. Besonders im Hinblick auf Lady Gagas technisch versierten und sehr vollen Klang gibt das einen erfrischenden Kontrast ab. "It's De-Lovely" verdeutlicht direkt am Anfang, dass sich die beiden perfekt ergänzen: Ihre langgezogenen, voluminösen Töne treffen auf eine grandios swingende Big Band, die sich perfekt darauf versteht, Bennetts Gesang zu unterstützen statt zu übertreffen.
Wenn man dieses Erfolgsrezept aber zu sehr überspannt, klingt es nach einigen gelungenen Stücken wie "Love For Sale", "I've Got You Under My Skin" oder "I Get A Kick Out Of You" etwas eintönig. Dies wäre nicht der Fall gewesen, wenn Lady Gaga ihre überschwängliche Tony-Anbetung gesanglich etwas zurückgeschraubt hätte, damit auch leise Töne eine Chance haben. Denn gerade bei Stücken wie "Night And Day" wird diese Art den melancholischen Lyrics wie "And its torment won't be through / 'Till you let me spend my life making love to you / Day and night, night and day" nicht gerecht.
Darüber hinaus funktioniert die pathetische Schwere bei ihren zwei Solostücken auch sehr unterschiedlich. Sie verträgt sich zum Beispiel sehr gut mit dem langsamen, balladenhaftigen "Do I Love You", während sie die Leichtigkeit von "Let's Do It" auf ein Nulllevel reduziert. Einzig die Soli von Keyboard und Saxofon bringen die luftig-leichte Atmosphäre des Klassikers zurück.
Ihre Liebe zu Tony Bennett geht sogar im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut: Sie ließ sich eine Skizze auf den Arm tätowieren, die Bennett mal von Miles Davis' Trompete angefertigt hat. So bekommt "I've Got You Under My Skin" gleich eine ganz andere Note, zumal sie mit "And I'll love you like a tattoo under my skin" noch eine kleine textliche Veränderung in die Aufnahme einbringt.
Trotz allem stellt die Platte einen gelungenen Abschied von dem legendären Tony Bennett dar; vielleicht ist es für ihn sogar perfekt, da er durch und durch für den Jazz gelebt hat und mit "Love For Sale" ein letztes Mal jemanden aus der Popwelt in sein Reich entführen konnte. Und was gibt es Schöneres, als sich für etwas zu begeistern und diese Begeisterung mit jemandem zu teilen.
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