laut.de-Kritik

Schweißnasse Hände sind garantiert.

Review von

Trent Reznors Ruhm reicht längst über die Musikwelt hinaus. Preisgekrönte Scores zu "The Girl With The Dragon Tattoo" und "The Social Network" verschafften dem Nine Inch Nails-Mastermind auch gehörig Anerkennung in Hollywood. Sein neuester Streich läuft seit Oktober in den deutschen Kinos: Für David Finchers "Gone Girl" schuf er – erneut im Verbund mit Atticus Ross – eine Klangkulisse, die einen beträchtlichen Teil zur verstörenden Atmosphäre des Films beiträgt.

Ehrlich gesagt, lieferte Reznors Beitrag für mich die Hauptmotivation, Gillian Flynns Roman zu verschlingen und ins nächste Kino zu rennen. Die Erwartungen waren angesichts euphorischer Kritiken immens. Ja, der Soundtrack erzeugt dauerhaft bedrohliche Stimmung und sorgt dank pointierter Eruptionen für Momente wahren Horrors. Ihre Stärken transportiert die Musik auch ohne Bilder. Leider aber auch ihre Schwächen.

Das audiovisuelle Erlebnis "Gone Girl" profitiert vom mehrheitlich zurückhaltenden Charakter der dargebotenen Elektronikflächen (ein Titel nennt sich nicht grundlos "Background Noise"). Doch Spannung weicht ohne den optischen Teil zu häufig Langeweile. Mit Disharmonie gespicktes Geplätscher eröffnet und prägt die knapp 90-minütige Albtraumvision. Es folgt die perfekte Untermalung nächtlicher depressiver Anfälle. Aufregend geht aber anders.

Zum Glück haucht "With Suspicion" der Eintönigkeit Leben ein. Ein sich steigernder Noise-Overkill zerrt gewaltsam an den müden Lidern. In wieder wachem Zustand fällt es dann leichter dem wogenden Mysterymeer seine Aufmerksamkeit zu schenken. Begierig hofft man auf den nächsten Ausbruch.

"Just Like You" bedient sich allerdings zunächst an Harmonien. "Clue Two" fusioniert selbige in genialer Weise mit Dissonanz. Eine E-Bow-Gitarre taucht in "Procedural" auf, "Like Home" steigert sich in einen kranken, abrupt endenden Höhepunkt. Sähe mich jemand so an, wie das Klappern und Poltern in "The Way He Looks At Me" klingt – ich würde wohl genauso verrückt werden, wie Amazing Amy.

Im Kontrast dazu präsentiert "Technically, Missing" im Anschluss fast schon so etwas wie eine epische Struktur. "Secrets" weist gar treibende Rhythmen auf. "Consummation" paart dröhnende Bassfrequenzen mit fragilen hohen Streichern. Die Wiedergabe über Kopfhörer dürfte erhöhten Puls und schweißnasse Hände garantieren. Zum Herzschlagfinale setzt "At Risk" an: Sekündliches Ticken mündet in leises Pochen, vollkommene Stille folgt. In Shutter Island-Manier drehen erdrückende Bassschübe die Boxen noch einmal abschließend auf links.

In seinen besten Momenten ist Trent Reznor und Atticus Ross' Soundtrack ein sinistres Monument, ein Monster. Dem gegenüber stehen jedoch Passagen, die schlicht nicht zwingend genug daherkommen. Diese Schwäche begünstigen sicher die vielfach vorhandenen, gewaltigen Klimaxe. Sieht man darüber hinweg, offenbart sich ein ebenso faszinierender wie grauenerregender Soundpalast. Wenn nicht sogar nervenzehrende Ödnis.

Trackliste

  1. 1. What Have We Done to Each Other?
  2. 2. Sugar Storm
  3. 3. Empty Places
  4. 4. With Suspicion
  5. 5. Just Like You
  6. 6. Appearances
  7. 7. Clue One
  8. 8. Clue Two
  9. 9. Background Noise
  10. 10. Procedural
  11. 11. Something Disposable
  12. 12. Like Home
  13. 13. Empty Places (Reprise)
  14. 14. The Way He Looks at Me
  15. 15. Technically, Missing
  16. 16. Secrets
  17. 17. Perpetual
  18. 18. Strange Activities
  19. 19. Still Gone
  20. 20. A Reflection
  21. 21. Consummation
  22. 22. Sugar Storm (Reprise)
  23. 23. What Will We Do?
  24. 24. At Risk

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