Tricot

Es ist nicht gerade typisch, dass eine Math Rock-Band visuelle Elemente mitbringt, versteckt das Genre sich doch gerne mal im mystischen Nebel der Komplexität. Aber es wäre eben hierzulande auch kaum denkbar, dass ein Math Rock-Act regelmäßig in die Top 20 der Albumcharts vorstößt. In Japan geht das: Das Dreiergespann Tricot, bestehend aus Sängerin und Gitarristin Ikkyu, Gitarristin Motifour und Bassistin Hirohiro, werden in Eigenregie (ihr Label Bakuretsu) seit 2013 zu so etwas wie Ikonen der Post-Hardcore-Szene. Dass sie einprägsame Videos produzieren, ist einer der Gründe dafür. Dass die Musik darauf überhaupt nicht angewiesen wäre, ist aber der wichtigere.

Inspiriert von japanischen Hardcore-Legenden wie Number Girls, aber auch Acts wie Acidman, den Red Hot Chili Peppers oder Don Caballero kommen die drei Musikerinnen in ihren Teenager-Jahren auf verschiedenen Wegen mit dem Bandleben in Kontakt. Die eine wollte einfach immer schon singen, bevor ihr Musikgeschmack sich weg von Pop-Songs entwickelte. Die andere hat einen Gitarren-Nerd als Vater, und die Dritte lässt sich einfach von einem coolen Auftritt inspirieren, begibt sich in den Musik-Club ihrer Schule und bekommt dort einen Bass in die Hand gedrückt.

Bis das Trio dann letztendlich am Anfang ihrer Zwanziger in Kyoto zusammenfindet und beschließt Tricot zu gründen, bleibt von der Sozialisierung nur noch die Pop-Sensibilität der Leadsängerin übrig. Denn von vorn herein macht das 2013 erscheinendes Debütalbum "T H E" klar, dass die Band musikalisch virtuos wie die besten Gruppen ihres Genres agieren kann, das Ganze aber ab und zu noch um einen brillanten J-Pop-Refrain und ein paar kreative Videos ergänzt. Eine perfekte Grundlage, um schnell in der Szene steil zu gehen, auch überregional: Clips wie "Pool" werden zu kleineren Viralhits. Dank dem Internet stehen Tricot auch schnell die Türen in Übersee offen.

2015 legen sie mit "A N D" ein weiteres Studioalbum nach, 2017 erscheint "3". Der erste Drummer im Line-Up muss noch vor dem zweiten Projekt gehen. Die Position am Drumkit ändert sich in der Folge häufiger, bis der sie 2017 auf der "Tricot vs 47"-Tour begleitende Yusuke Yoshida als permanentes Bandmitglied bleibt und weitere Shows in Amerika und Europa bestreitet.

Für das 2020 erscheinende Album "Black" ändert sich im Rahmen der Pandemie erstmals die Labelsituation: Statt auf dem eigenen veröffentlichen sie dieses Mal über das Cutting-Edge Unterlabel 8902. Sellout wittern sollte man trotzdem nicht. Denn im Grunde gehört auch dieser Imprint ganz ihnen. Mit "10" und "Jodeki" erscheinen zwei weitere Alben im selben Jahr und dementsprechend auch eine Würdigung des eigenen Schaffens, denn da 2011 die ersten EPs erschienen sind, zelebrieren Tricot an diesem Punkt ihr zehnjähriges Bestehen.