laut.de-Kritik

Nach zwölf Jahren das Debüt hinter sich gelassen.

Review von

Turin Brakes können einem in einer gewissen Hinsicht leid tun. 2001 lieferten sie mit "The Optimist LP" ein Meisterwerk von einem Debütalbum ab, das ihnen ein aufmerksames Publikum, aber auch viel Stress einbrachte. Lange mussten sie sich bemühen, um sich neu zu erfinden. Bezeichnend der Umstand, dass sie 2011 zum zehnjährigen Jubiläum mit der Original-Tracklist dieses Albums auf Tour gingen. Und im Anschluss eine Liveplatte veröffentlichten.

Liegt es vielleicht an Olly Knights' markanter Stimme, die am besten zu folkigen, eher melancholischen Klängen zu passen scheint? Auf ihrem sechsten Album "We Were Here" geben sich Londoner jedenfalls Mühe, musikalisch ihre Grenzen zu erweitern.

Inspiration seien musikalische Vorbilder aus der Jugend gewesen. Knights, sein Kumpel Gale Paridjanian (Gitarre) sowie die Live-Begleitung Rob Allum und Eddie Myer gingen ins Studio mit der Absicht, ihren persönlichen Vorlieben freien Lauf zu lassen. "Jeder von uns hat seine eigenen Einflüsse mitgebracht, von Jazz über Hip Hop und Ambient bis hin zu Pink Floyd. Die Platten aus den frühen 70er Jahren sind für uns wie erweiterte Organe unserer Körper", erklärt Knights dazu.

Das klingt gut und gelingt gut. Der Opener "Time And Money" und der der Titeltrack bieten jenen folkigen Sound, mit dem sich die Band einen Namen gemacht hat. Anschließend geht es zur Sache: Das rhythmisch dicht gewobene "Dear Dad" zitiert Jethro Tull in Form von ausufernden Querflöten-Einlagen, danach verneigt sich "Blindsided" vor Pink Floyd. Stellenweise könnte man meinen, einer Coverversion von "Comfortably Numb" zu lauschen.

Ein guter Einstieg in ein Album, das im weiteren Verlauf das hohe Niveau nicht ganz halten kann. "Part Of The World", zu Beginn eine zarte, akustische Ballade, ist in der zweiten Hälfte mit zu viel akustischem Ballast angereichert. Schon eher gelungen fällt "Sleeper" aus, eine Hommage an Neil Youngs "Down By The River", das gleich an mehreren Stellen herauszuhören ist. Einen Totalausfall stellt "Guess You Heard" dar, ein chartsorientierter College-Rock-Mischmasch aus den 90er Jahren, der schon beim ersten Hören unerträglich klingt.

So sind es die langsamen, eher folkigen Stücke, die neben den ersten vier und "Sleeper" einen Eindruck hinterlassen: "No Mercy", mit Streicherbegleitung, und fast zum Schluss "Erase Everything". Ein paar mehr Kanten hätten dem Album sicherlich gut getan, vor allem in der zweiten Hälfte. Aber es klingt, im Gegensatz zu mehreren Werken aus der Vergangenheit, wie aus einem Guss, was daran liegt, dass die Mitglieder der erweiterten Band zum ersten Mal alle gemeinsam im Studio waren und an den Stücken schrieben.

Ein Weg, den es sich lohnt, weiter zu begehen. Der Fluch des ersten Albums bleibt bestehen, aber er wirkt deutlich weniger bedrohlich als noch zuletzt.

Trackliste

  1. 1. Time And Money
  2. 2. We Were Here
  3. 3. Dear Dad
  4. 4. Blindsided Again
  5. 5. Part Of The World
  6. 6. Stop The World
  7. 7. Guess You Heard
  8. 8. No Mercy
  9. 9. Sleeper
  10. 10. Inbetween
  11. 11. Erase Everything
  12. 12. Goodbye

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