laut.de-Kritik
Tolles Songwriting aus dem Antifolk-Dunstkreis.
Review von Martin LeuteWirft man einen Blick auf die Musiker, denen Turner Cody in seinem Booklet dankt, liest sich das wie das ABC der New Yorker Antifolk-Szene. Adam Green, Diane Cluck und Toby Goodshank werden genauso erwähnt wie Jeffrey Lewis, Kimya Dawson oder Rachel Lipson.
Cody kann bereits auf diverse Alben zurückblicken, die er in Eigenregie und ohne Plattenfirma veröffentlicht hat und die via Internet oder bei Live-Auftritten zu erwerben sind.
Mit "60 Seasons" veröffentlicht der 26-jährige Amerikaner sein erstes kommerzielles Werk. Die Platte umfasst vierzehn Songs aus unterschiedlichen Schaffensphasen der Jahre 2000 bis 2005. Dabei schwimmt der kauzig-sympathische Cody auf der Erfolgswelle der befreundeten Band Herman Düne mit, die er derzeit als Support-Act auf ihrer Europa-Tournee begleitet.
Auf "60 Seasons" präsentiert er sich als versierter Songwriter in der Tradition eines Woody Guthrie, Bob Dylan oder Will Oldham. Die Lieder des Gitarre spielenden Barden entfalten sich über den Text, der für einen guten Song unerlässlich ist. Ein prächtiger Einstieg gelingt Cody mit "Suzannah", dessen großartiger Melodiebogen wunderbar von schön gesetztem Bassspiel und einem klagenden Saxophon gestützt wird.
Songwriting von seiner besten Seite, das sich in "This Springtime" nahtlos fortsetzt. Unterstützt von einer weichen E-Gitarre erzählt Turner mit warmherziger Stimme auf eingängigem Melodieschema seine Frühlingsgeschichte. Er verzichtet weitgehend auf euphorische, von den Strophen sich abhebende Refrains, stattdessen durchzieht ein unaufgeregter, harmonischer Fluss die Songstrukturen.
Fröhlich dreht sich "Abaraxis" mit gutlauniger Akkordeon-Begleitung im Kreis, während ein sanfter elektronischer Beat und eine Mundharmonika das Gitarren-Fingerpicking in "Words To The Wise" untermalen. Sanft hebt und senkt sich der Tonfall im schönen "Forever, Forever", lasziv-lässig kommt "The Steel Drum" mit Synthesizerklängen daher und in "Click Click Click Can Can" bahnt sich eine schräge Steel-Gitarre ihren Weg.
"Hey Jim" begeistert mit Codys schnell gesungenem Text und einer blechernen Klarinetten-Einlage, im erdigen "Lift Off" und dem sonnigeren "Unconscious Repeat" gibt er den Blueser. Alles geht, nichts muss. Am ergreifendsten ist Cody dann, wenn er sich ganz auf seinen Gesang und die akustische Gitarre verlässt. Die intimen Liebeslieder "Don't Refuse Me My Darling" mit lieblichem Violinen-Arrangement und "When These Sands Are Beds Again", die Midtempo-Nummer "Lying On The Floor" mit der einnehmenden Melodie sind Beispiele für fantastisches Songwriting, das mit wenig Instrumentierung auskommt und auf die großen Gesten verzichtet.
Das Album schließt mit "Song Of You Dreams" ab, das Parallelen zur Intonation des Sprechgesangs von Bob Dylan offenbart. "60 Seasons" ist eine erstaunlich kohärente Zusammenstellung, bedenkt man, dass es sich hier um eine Kompilation mit Songs aus diversen Vorgängeralben handelt. Turner Codys Musik blickt zurück zum Country, Folk und Blues, schert sich nicht um Modernität, Innovation und eine ausgereifte Produktion und erreicht gerade deswegen ein hohes Maß an Authentizität und Zeitlosigkeit. Dieser Anachronismus ist es, der viele Antifolk-Künstler auszeichnet. Cody dürfte zweifellos einer der charmantesten Vertreter dieses Genres sein.
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