laut.de-Kritik

Niemand singt Udo Jürgens-Songs wie Udo Jürgens.

Review von

Wenn einer der einflussreichsten Künstler der deutschen Nachkriegsgeschichte seinen 80. Geburtstag feiert, will das hiesige Fernsehpublikum natürlich dabei sein. Nur logisch also, dass das ZDF Udo Jürgens anlässlich seines Jubeltags eine Gala mit allem Pipapo ausrichtet, in edlem Ambiente und mit einer Gästeliste, in der sich ein bekannter Name an den nächsten reiht.

David Garrett, ein Popstar unter den Geigern, Lang Lang, ein Popstar unter den Pianisten, und José Carreras, ein Popstar unter den Tenören, treten an, um zu gratulieren, außerdem - fürs internationale Flair - Chris de Burgh und Jamie Cullum. Die hiesige Musikanten- und Sängerszene vertreten zum Beispiel Schlager-Gourmeggle Helene Fischer, die Möchtegern-Diven Annett Louisan und Yvonne Catterfeld, Schiller, Santiano, LaBrassBanda und Otto Waalkes. Der derzeit scheinbar allgegenwärtige Tim Bendzko darf gleich zweimal ran. Fehlt eigentlich nur Andreas Bourani. "Ein Hoch auf uns, ein Hoch auf Udo!" Aber der hatte wohl gerade keine Zeit.

Die trotzdem zahlreich angetretenen Gratulanten lassen den Jubilar und seine Musik allesamt hochleben, indem sie einen Abend lang seine Lieder singen. Das bekommt selbigen, wie sich leicht ahnen lässt, unterschiedlich gut. Da es sich aber um durchweg toll komponiertes Songmaterial handelt, das seine Qualität zum Teil bereits über Dekaden hinweg unter Beweis gestellt hat, kriegt es zumindest kaum ein Interpret restlos kaputt.

Die Eröffnungsnummer bestreitet Udo Jürgens persönlich. Wer mit 66 erst loslegt, steht mit 80 natürlich noch "Mitten Im Leben". Der Stimme mag man die Jahre mittlerweile anhören, der Groove hat nicht gelitten. Unbeirrt, trotzig beinahe, zeigt sich die Hauptperson, noch voll im Saft. Einzig der flötende Backgroundgesang wirkt ein bisschen überspannt.

"Griechischer Wein", eingeschenkt von Christina Stürmer, repräsentiert vieles, das noch kommt: tut nicht wirklich weh, reißt aber auch nicht vom Hocker. Die Österreicherin gibt sich statt rockig einmal betont chansonmäßig - mit Betonung auf betont: Gewollter klingt es nur bei Helene Fischer in "Merci Chérie". Befreit vom Konservenbeat der Schlagermassenware, die sie sonst intoniert, leidet sie so dermaßen theatralisch, dass man sie am liebsten mit einem Taschentuch knebeln und im Kostümfundus einer Operettenbühne einsperren möchte.

"Wer Hat Meine Zeit Gefunden?" Ach, Annett Louisan erledigt einfach jede Aufgabe so freudig und leidenschaftlich wie einen Routine-Bürojob. Von den Damen hinterlässt Yvonne Catterfeld mit "Immer Wieder geht Die Sonne Auf" den stärksten Eindruck. Sie findet unaufgeregt den besten Zugang zum Thema, trotz zuweilen sehr merkwürdig gequäkter Vokale.

Dass Chris De Burgh "Mit 66 Jahren" auf Englisch singt, verwundert nicht. Warum aber Santiano glauben, für ihre angesoffenen Seebären auf die Leiber geschneiderte Version von "Der Teufel Hat Den Schnaps Gemacht" ins Angelsächsische wechseln zu müssen, weiß, wenn überhaupt, höchstens der blaue Klabauter.

Einigermaßen scheußlich fällt der Remix von "Ich Weiß, Was Ich Will" aus. Passt ja mal gar nicht zum Song: Die Elektroeffekte muss Schiller direkt aus den gruseligsten Ecken der 90er Jahre mitgebracht haben. Soll vermutlich futuristisch klingen, tönte aber wohl zu Zeiten schon zopfig, in denen "Captain Future" noch im Fernsehen lief.

Die richtigen Tiefpunkte kommen aber erst noch: Otto Waalkes entblödet sich tatsächlich nicht, die gleichen Uralt-Witzchen abzuziehen, mit denen er sich schon durch meine inzwischen doch einige Jährchen zurückliegende Kindheit blödelte. "Holleröhidi! Hallo, Freiburg!" Das Publikum allerdings scheint nichts anderes zu wollen: "Hallo, Otto!", grüßt es unisono zurück. Was einem einst lustig vorkam, wirkt in der siebenhundertfünfundachtzigsten unveränderten Aufführung schaler als schal.

Das "Ehrenwerte Haus" besingt anschließend die Besetzung des Musicals, das es natürlich auch zu Udo Jürgens' Liedern inzwischen gibt. Schlimm, schlimm. Immerhin wäre damit der harte Teil überstanden. Zum Schluss fährt das Geburtstagskind höchstselbst noch ein "Hitmedley" auf. Dann klingt der Abend mit "Zehn Nach Elf", einer leise melancholischen Studie der Leere nach der Show, "wenn der letzte Ton verklungen, das letzte Lied gesungen" ist, besinnlich aus.

Ein von LaBrassBanda verblasmusiktes "Es Wird Nacht, Señorita", Jamie Cullums Pianobar-tauglicher Auftritt mit "If I Never Sing Another Song", einen Tim Bendzko, der mit Rückendeckung von Lang Lang aus "Vielen Dank Für Die Blumen" mit aller Gewalt sein eigenes Ding machen will: Die Zuschauer beklatschen unterschiedslos artig, was auch immer sie vorgesetzt bekommen.

Allein: Wer wollte sich diese egalen bis leise ärgerlichen Interpretationen wirklich zu Hause anhören? Am Ende mehrfach? Die zweite CD im Paket macht die erste komplett überflüssig: Hier nämlich finden sich die Originalversionen der Titel, und die klingen alle miteinander um Welten besser als ihre Aufgüsse. Es singt eben einfach niemand einen Udo Jürgens-Song wie Udo Jürgens.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Mitten Im Leben - Udo Jürgens
  2. 2. Griechischer Wein - Christina Stürmer
  3. 3. If I Never Sing Another Song - Jamie Cullum
  4. 4. Mit 66 Jahren - Chris De Burgh
  5. 5. Merci Chérie - Helene Fischer
  6. 6. Immer Wieder Geht Die Sonne Auf - Yvonne Catterfeld
  7. 7. Vielen Dank Für Die Blumen - Tim Bendzko & Lang Lang
  8. 8. Wer Hat Meine Zeit Gefunden? - Annett Louisan
  9. 9. Es Wird Nacht, Señorita - LaBrassBanda
  10. 10. The Devil Made The Rum For Us - Der Teufel Hat Den Schnaps Gemacht - Santiano
  11. 11. Mein Größter Wunsch - Udo Jürgens & José Carreras
  12. 12. Verloren In Mir - Tim Bendzko
  13. 13. Ich Weiß, Was Ich Will (Schiller Remix) - Schiller
  14. 14. Parodie Medley - Otto Waalkes
  15. 15. Ein Ehrenwertes Haus - Musical Cast Stage Entertainment
  16. 16. Hitmedley - Udo Jürgens
  17. 17. Zehn Nach Elf - Udo Jürgens

CD 2

  1. 1. Mitten Im Leben
  2. 2. Griechischer Wein
  3. 3. If I Never Sing Another Song
  4. 4. Mit 66 Jahren
  5. 5. Ich Will, Ich Kann - I Can, I Will
  6. 6. Immer Wieder Geht Die Sonne Auf
  7. 7. Vielen Dank Für Die Blumen
  8. 8. Wer Hat Meine Zeit Gefunden?
  9. 9. Es Wird Nacht, Señorita (Le Rossignol Anglais)
  10. 10. Der Teufel Hat Den Schnaps Gemacht
  11. 11. Mein Größter Wunsch
  12. 12. Verloren In Mir
  13. 13. Ich Weiß, Was Ich Will
  14. 14. Ein Ehrenwertes Haus
  15. 15. Merci Chérie (Originalversion von 1966)
  16. 16. Ich War Noch Niemals In New York

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Udo Jürgens & Seine Gäste – Mitten im Leben - Das Tribute Album €7,75 €3,00 €10,75

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Udo Jürgens

Udo Jürgens ist ein Phänomen. Ausgestattet mit einem riesigen Musiktalent, weltmännischem Charisma, einer eisernen Arbeitsdisziplin und mit dem Glück …

5 Kommentare mit 10 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Der Teaser bringt es auf den Punkt. - Gespannt bin ich eigentlich einzig auf die Jamie Cullum-Version, weil's einfach nur ein wunderschöner Song aus Udos einzigem rein englischsprachigen Album ist.

    (Helene Fischer) "Befreit vom Konservenbeat der Schlagermassenware, die sie sonst intoniert, leidet sie so dermaßen theatralisch, dass man sie am liebsten mit einem Taschentuch knebeln und im Kostümfundus einer Operettenbühne einsperren möchte."

    :p :p :p Danke, Schatzi.

  • Vor 10 Jahren

    Gut beobachtet und zusammengefasst... kann mich bei allen Titeln nur dem Rezensenten anschließen. Bestes Stück ist eigentlich das letzte: "Zehn nach Elf" beschreibt recht schön Udo's innere Leere nach einem Konzert und den Wunsch, dann lieber bei seiner Liebsten zu sein.

  • Vor 10 Jahren

    Weder gut beobachtet noch gut zusammengefasst! Ich war anfangs skeptisch, ob ich mir das wirklich ansehen und -hören will, war dann aber insgesamt doch positiv überrascht. Trotz des überdrehten und manchmal nervenden Moderators Kerner wurde man nämlich durch Einspieler zu Udos Leben und Wirken und die Cover-Versionen blendend unterhalten, von denen ein paar herauszustellen sind: Yvonne Catterfeld, die gleich am Anfang auftrat und mir bisher eher als biederes Möchtegern-Schlagersternchen in Erinnerung war, hinterließ nicht bloß den stärksten Eindruck der weiblichen Coverer, sondern einen wirklich starken Eindruck. LaBrassBanda machten aus "Es Wird Nacht, Señorita" etwas völlig Neues, das mit "verblasmusikt" nur unzureichend beschrieben ist, denn das war keine konventionell-triviale Dicke-Backen-Musik. Der Schiller-Remix wurde nicht komplett, sondern nur kurz angespielt, sodass man auf ein abschließendes Urteil eigentlich gar nicht kommen kann. Bei "Vielen Dank Für Die Blumen", das einem zwar nicht gefallen muss, aber immerhin doch schöne Erinnerungen an längst vergangene Tom-und-Jerry-Zeiten weckt, war es nicht Tim Bendzko, der aus diesem Klassiker aus Udos Reportoire sein eigenes Ding machte, sondern es war der virtuos aufspielende Pianist Lang Lang. Bendzko dufte dafür das eher unbekannte, aber nicht uninteressante "Verloren in mir" ohne Lang Langs Begleitung vortragen. Eindeutiger Höhepunkt war aber Jamie Cullum mit "If I Never Sing Another Song". Welch ein Gefühl, welch eine Stimme, dazu noch tolles Klavierspiel von ihm! Wie man bei dem Volumen dieser Stimme, die mal fast bariton-tief, dann sentimental hoch und laut daher kam, bloß von einem "Pianobar-tauglichen Auftritt" sprechen kann, ist mit Sicherheit nicht nur mir schleierhaft. Der ganze Saal, inklusive Udo und der covernden Sänger, war hingerissen und gab euphorisch stehende Ovationen. - Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass zumindest einige der Cover-Versionen keinesfalls "überflüssig" und bloß "Aufgüsse" waren. Sie waren eben nicht "um Welten" schlechter wie die Originale von Udo Jürgens, sondern interpretierten sie gut neu, weshalb er sich offensichtlich ehrlich und bewundernd, was sie aus seinen Liedern gemacht hatten, bei den Interpreten bedankte.

    • Vor 10 Jahren

      du weißt schon, dass sich der text auf die cd bezieht, nicht auf die fernsehgala?

    • Vor 10 Jahren

      Naja, lieber freddy, aber im Text ist von David Garrett und José Carreras die Rede, die zwar auf der Gala aufgetreten, aber auf der CD nicht vertreten sind, von Gratulanten für Udo, die "einen Abend lang seine Lieder singen" und schließlich auch von klatschenden Zuschauern - womit bewiesen ist, dass also doch die Fernsehgala und nicht die CD besprochen wurde. Nun gut, nicht schlimm, aber wer sich Jamie Cullums Auftritt mit "If I Never Sing Another Song" auf Youtube anschaut und -hört, wird diesen Kunstgenuss bestimmt nicht bloß beleidigend einen "Pianobar-tauglichen Auftritt" nennen.

    • Vor 10 Jahren

      ... und so etwas unter die Kategorie "egal bis leise ärgerliche Interpretationen" zu stellen, als bloßen "Aufguss", "um Welten" schlechter als das Original... - wird ad absurdum geführt, wenn man sich Jamie Cullums Interpretation anhört. Aber auch andere Interpretationen verdienen die Einordnung nicht, die Fromm hier pauschal vornimmt.

    • Vor 10 Jahren

      dann bau mal in deinen beweis ein, dass die review am freitag online ging, die gala aber erst am samstag ausgestrahlt wurde, sherlock.

      und, nein, ich weiß aus allererster hand, dass der rezensent bei der aufzeichnung nicht zugegen war.

    • Vor 10 Jahren

      Quod erat non demonstrandum.

    • Vor 10 Jahren

      david garrett grient übrigens aus dem booklet der cd. gruppenfotos. was den schuss schon erlaubt, dass er bei der veranstaltung ebenfalls geladen war.

      josé carreras singt zusammen mit udo "mein größter wunsch". jaha. auf der cd.

      klatschende zuschauer kann man auf einer liveaufnahme in aller regel hören. sowas aber auch.

  • Vor 10 Jahren

    Ich spiel' hier mal kurz den Torque:
    Was soll man mit einer Udo-Jürgens-Tribute-CD, auf der "Adler sterben" von Gigi fehlt?
    *Torque Modus aus*