laut.de-Kritik
Ein Galgenvogel persifliert die Motive des Gangster-Raps.
Review von Dominik LippeUltra Raphi ist anders. "Guten Morgen Herr Lippe, der gute Klang der Nudel und ich haben gerade einen Song veröffentlicht", stellte er sich vor zwei Jahren fast schon irritierend höflich dem Autor dieser Zeilen vor. Bei besagter Video-Single handelte es sich um "Staatsbankett", ein Dinner-for-One-Szenario mit Raphale Chassé als rapaffine Miss Raphi, die ihren 90. Geburtstag mit Butler James feiert. Zweifelsohne sah das Video nach einer Schultheateraufführung aus, doch das Duo bewies auch direkt, wie mutig, leidenschaftlich und frei von Eitelkeit es selbst groteske Ideen umzusetzen bereit ist.
Wenn es einen Referenzpunkt für die Raphi-Persona geben könnte, dann wäre es wohl DCVDNS, der schon mit seinen ersten Auftritten im Vorprogramm von Basstard dessen Publikum derart verunsicherte, dass sie von ihm zunächst einmal Abstand nahmen. "Ihr seid ja schüchterner als ich", entgegnete der bebrillte Pullunderträger damals den völlig verwirrten Besuchern. Beide Künstler erscheinen oberflächlich betrachtet wie Karikaturen des Street-Rap. Bei genauerer Musterung ist ihnen jedoch ihre genaue Auseinandersetzung mit der Materie deutlich anzumerken.
Während sich DCVDNS stets dagegen verwehrte, Hip Hop zu persiflieren, scheut Ultra Raphi die Unterstellung kein bisschen. "Wir bedienen das Narrativ des klassischen Gangster-Rappers", erzählte Ultra Raphi letztes Jahr Dieter Bohlen und Katja Krasavice, als er sich mit Klang der Nudel beim fußlahmen Format "Deutschland sucht den Superstar" bewarb, "Man merkt uns aber auch an, da wir ja Nerds sind, dass das Ironie ist und dadurch entsteht diese Art Parodie des deutschen Gangster-Raps." Bei den boulevardesken RTL-Kollegen hießen sie daraufhin nur "Super-Nerds".
"Nichts passt zusammen", urteilte Bohlen beim Casting. Dass der selbstproklamierte Pop-Titan damit durchaus richtig lag, beweist Ultra Raphis erste Solo-EP "Warum Ist Der So?!". Neben dem eher zweitrangigen Äußeren steht das musikalische Erscheinungsbild im Kontrast zu den Räuberpistolen des Galgenvogels. So fußen die Songs auf fluid minimalistischer Elektromusik ("Luke Mockridge"), Glam-Rock ("Jeden Tag Das Gleiche, Pt. 2") und Soul-Samples ("Piccola", "Jeden Tag Das Gleiche, Pt. 1"). Für "Time" greift Produzent Spocky auf "Oh My Love" des Chicagoer Funk-Trios Patti & The Lovelites zurück.
Als inhaltlichen Bezugspunkt nennt der Rapper dagegen Martin Scorseses "The Irishman", was nur bedingt einleuchtet. Es gehe ihm um den "Alltagstrott", sagt Ultra Raphi, getarnt als "Gangster-Rap- und Punchline-Album". "Ich mach' jeden Tag das Gleiche, ich mach' jeden Tag das Gleiche, ob an Ostern oder Weihnachten, mach' jeden Tag das Gleiche", rappt er dann auch repetitiv über einen schrillen Gesangsloop. Und was wäre das? Bugatti fahren, Drogen verkaufen, mit der MAC-10 schießen und "Hoes" fingern, sofern sie nicht "schon beim Händeschütteln" gekommen sind.
Über das Frauenbild hat sich bereits Kollegin Dani Fromm zurecht geärgert. Sie verliere zunehmend "Geduld und Verständnis dafür, wenn solche Bubis glauben, so über Frauen sprechen zu dürfen." Natürlich zieht Ultra Raphi seinen Sprüchen den sexistischen Zahn, indem er sie in allerhand Absurditäten einbettet, doch es bleibt die Frage, worin der doppelte Boden hinter so manch grauslicher Zeile des selbsterklärten "Gentleman so wie Luke Mockridge" bestehen soll: "Die ist so fett und haarig - das ist schon ein motherfucking Braunbär. Ich fick' sie trotzdem, weil ich Feminist bin."
Die Schärfe nimmt er wieder heraus, indem er sich auf seinen schelmischen Charme zurückzieht. "Ich mach' nur Spaß, denn ich bin immer freundlich und nett", erklärt er etwa spitzbübisch. Am Ende steht Ultra Raphi in "Jeden Tag Das Gleiche, Pt. 2" wieder am Anfang. "Ich mach' jeden Tag das Gleiche, alles dreht sich im Kreis. Und ich mach' jeden Tag das Gleiche, sodass ich's langsam leid bin", singt er über das schier endlose Gitarrensolo. Wer will, kann daraus auch eine Kritik an der nicht enden wollenden Wiederholung der stets gleichartigen Motive des Genres Straßenrap lesen.
8 Kommentare mit 3 Antworten
Und warum durfte Raphi sein Album nicht selbst rezensieren?
Bei mir wäre es eine Meilenstein-Review gewesen!
Die Frage, worin der doppelte Boden hinter dem Sexismus besteht, ist der Schlüssel zum Verständnis der EP. Ob das alles moralisch korrekt ist, da bin ich mir nicht sicher, aber künstlerisch finde ich es persönlich ziemlich dope.
Was den bei DSDS gefallenen Satz mit "Parodie des Gangster-Raps" angeht, der hätte niemals gesprochen werden dürfen. Das ist eine ungünstige, spontane Formulierung gewesen. Unsere Musik ist nicht als Parodie auf Rap zu verstehen, das wäre unserer Meinung nach sehr respektlos gegenüber der Kunstform.
Früher hätte ich die Meinung in dieser Kritik übrigens geteilt, allerdings habe ich mit der Zeit ein andere Perspektive darauf entwickelt.
FREE ULTRA RAPHI
Endlich mal normale Leute.
Der Witz war schon bei DCVDNS maximal einige Momente lang lustig.
Eventuell sollte man Weißen nur noch erlauben Horrorcore zu machen, dann hat sich das auch mit diesen leidigen Identitätsfindungsschwierigkeiten-Rappern.
Co-Worker Music
(Konnt' ich mir nicht verkneifen.)
Die EP gefällt mir tatsächlich, Mankos sehe ich bei Jeden Tag das Gleiche, Pt. 1 und 2 mit seiner Wahl von relativ häufig benutzten Samples. Und manches klingt von Flow und Punchlines zu sehr nach DLTLLY, was einfach nicht mein Geschmack ist. Die besten Songs sind "Time" und "Luke Mockridge".
.. da geht was! Interessante Lappen!