laut.de-Kritik
Ich könnte schwören, man kann die Töne stöhnen hören!
Review von Alexander EngelenWenn die Amazon-Verkaufsempfehlung in all ihrer Abstrusität doch mal einen humoristischen Funken Wahrheit versprüht, dann bei der Konsumhilfestellung für die aktuelle "Beat Dimensions"-Compilation: Kunden, die verwandte Artikel gekauft haben, haben auch die folgenden Artikel gekauft - "Dillanthology", "Dream Dance Vol. 53", "Future Trance Vol. 49". Willkommen im "Beat Dimensions"-Kosmos. Dort wo Genre-Grenzen freudig kollidieren und Musikjournalisten an den Rand ihrer Definitionsmacht stoßen.
Die neue Instrumental-Welt steht auf einem virtuellen Fundament. Terrabyteweise wechseln im Schnittmengen-Genre aus Electronic und Hip Hop die Beats die IP-Adressen. Und die virtuell vernetzte Fan-Gemeinde folgt begeistert jedem Wummern und Piepsen, als stiege jedes Mal Dilla persönlich zurück auf Gottes Erde.
Beat Dimensions ist - neben Meinungsmachern wie Benji B, Mary Anne Hobbs oder der RBMA - ein Pfeiler dieser neuen musikalischen Spielwiese. Die Holländer Cinnaman und Jay Scarlett haben sich zur Aufgabe gemacht, die besten Beat-Ergüsse aus der sich inflationär multiplizierenden Szene zu kompilieren. Nach dem ersten "Beat Dimensions"-Teil wurde bald klar, dass es sich dabei nicht nur um eine bloße Zusammenstellung handelt. Nicht ohne Grund verkünden die Betreiber jetzt auf ihrer MySpace-Seite: "More than just a compilation it's a movement bitch!"
Und ja, die Bewegung bewegt sich. Weltweit sprießen immer neue Schlafzimmerproduzenten aus dem Boden, die aus dem kleinsten gemeinsamen Nenner Hip Hop + Electro das Unmöglichste herausprügeln. Höchste Zeit also für ein neues "Beat Dimensions"-Kapitel.
Der Wiener Keyboard-Wizzard Dorian Concept macht mit "Be Tween" den Anfang, hält dabei jedoch seine Synthies weit weniger vertrackt, als man es von ihm gewohnt ist. Sphärisch steuert der Österreicher durchs Ambient-Universum. Vielleicht die Folge dessen, dass er dank seiner formidablen Live-Qualitäten mittlerweile in Flying Lotus' Brainfeeder-Zentrale ein und ausgeht.
Nosaj Thing reitet andererseits mit ganz anderer Energie das durchgehende bionische Pferd. Auf "FWD" drücken die Drums und lassen sich trotzdem von mächtigen Synths die Show stehlen. Ähnlich potent malträtiert auch der Franzose Zo aka La Chauve-Souris die Electro-Klaviatur. "The Peacock Revolution" verlässt im Raumschiff per tickenden Hi-Hats die Atmosphäre, lässt dabei zwar die beliebten Beat-Brüche aus, bleibt aber dennoch über die ganzen fünf Minuten fesselnd.
Weitaus vertrackter werkelt das englische D'n'B-Urgestein Danny Breaks und lanciert auf "The Sound" schräg blubbernde Töne über einen simplen Bumm und Tschack. FlyLo-Intimus Samiyam bewegt sich typisch zurückgeschraubt durch seine 8-bit-Spielkonsolen-Welt und hämmert bei "Swamp Tarts" zähflüssig einlullend in die Tasten. Ob das jetzt als Understatement zu verstehen ist oder lediglich eine berechnende Befriedigung verquerer Nintendo-Nerds darstellt, fragen sich nur diejenigen, die zusätzlich zweifeln, ob das hier noch Hip Hop ist.
Weitere Großtaten kommen von dem aus Pakistan stammenden Dalt Wisney, der einen Breakbeat mit elektrischen Störgeräuschen aus der Ruhe bringen will ("R2Fux"). Auch Gilles Petersons Lieblings-Franzose Fulgeance stibitzt sich OldSchool-Drums und lässt darauf die Videospiel-Soundtracks flimmern. Da scheppern die Glasscheiben von ganz alleine.
Schließlich serviert der Schweizer Dimlite mit "Ravemond's Young Problems" die ganz große Sauerei: Töne, Geräusche und Drums feiern eine Swingerparty und gerade wenn die orgiastische Veranstaltung langsam abklingt, überfährt ein knarzender Synthie-Traktor das Soundklüngel. Ich könnte schwören, man kann die Töne stöhnen hören!
"Beat Dimensions Vol. 2" wartet noch mit weiteren Namen auf, von denen der geneigte Head einen feuchten USB-Stick bekommt: Exile, Mike Slott, Ras G, Mono/Poly - die Liste ist lang und hält genau das, was sie verspricht.
Noch mal zur Erinnerung: "Beat Dimensions" ist nur ein Beat-Tape. Die Qualität spiegelt sich aber in der nie langweilig werdenden Konstanz der Beiträge wider. Wer genau hinhört, kann erkennen, dass hier ein Genre, das sich nie bewusst zum Ziel gesetzt hat, sich selbst zu finden, gerade dabei ist, sich selbst zu finden. Irgendwie.
2 Kommentare
ziemlich gut!
Am 3.4.2010 Cinnaman, Fungeance und Juha in Wuppertal bei MA1!
www.ma-one.de