laut.de-Kritik

In den Weiten der Prärie ...

Review von

Früher musste ich bei Countrymusik immer sofort an die Muppet Show denken. An singende Hühnerchöre, bekiffte Cowboys im Heu sitzend und sprechende, tanzende Pferde im Hintergrund. Zwischendurch sprengt Gonzo immer mal wieder irgendwas in die Luft. Heute denke ich dabei eher an schwitzende Männerkörper mit nicht zu vielen Muskeln, in engen Jeans, Kippe im Maul und dazu ein Glas Bushmills Single Malt in der breiten Hand. Man wird halt reifer und phantasievoller. Und da die Vielfalt der Präriemusik auch so unendlich groß und variabel ist, gibt es das Beste jetzt auf einer Compilation namens "Diggin' Deep – The Essential Alternative Country Collection". Beim Hören dieser 18 Songs sind der Phantasien keine Grenzen gesetzt!

Es gibt immer mehr Bezeichnungen für Musikrichtungen. Da blickt selbst der hippste Journalist nicht mehr durch. Das kann schon nerven. Hier heißt es jetzt Alternative Country oder New American Country. Für mich ist es ganz einfach eine gelungene Mischung aus Rock- und Popvariationen mit Country-, Folk- und Blues-Einflüssen. Dabei muss nicht immer geritten werden, und viele bekannte Namen tauchen auch auf.

Der junge Rebellpunk unter den Folk- und Countrysängern Ryan Adams ist glücklicherweise gleich zweimal auf dieser CD vertreten. Einmal mit seiner damaligen Band "Whiskeytown", deren Name schon alles verrät. Gerade hatten sie den Majordeal unterschrieben, da trieb der Alkoholkonsum die Truppe auseinander. Doch hier und jetzt aus dem hochprozentigem Sumpf wieder zu hören mit "Bar Lights". Mit "Come Pick Me Up" von seinem ersten Soloalbum "Heartbreaker" provoziert Mr. Adams, den Lautstärkeregler fast bis zum Anschlag aufzudrehen. Eine gefühlvolle Hymne, die ich zum ersten Mal live von Me & Cassity zu hören bekam und mich da schon selbst umarmte.

Mittlerweile zur Dauerhymne mutiert: "Ballad Of Cable Hogue" von Calexico. Joey Burns, Singer/Songwriter und Gitarrist ist schon immer mit dem ganzen Herzen dabei gewesen und verzaubert einen mit seinen mexikanisch-amerikanischem Stil. Seine karierten Hemden stehen ihm auch ganz gut. Weiter kaue ich auf meinem Tabak herum und nehme einen großen Schluck Whiskey, ohne Eis, versteht sich.

Bei Nicolai Dunger fragt man sich, was ein Schwede auf dieser Kollektion zu suchen hat. Die Antwort ist schnell gegeben. Kein anderer als die Indie-Folk Ikone Will Oldham begleitet den Schweden als Co-Produzent und Gastgeber und führte ihn somit in die Welt des Alternative Country ein. Da konnte dem Skandinavier gar nichts Besseres passieren. Will Oldham ist einfach göttlich und somit "Hey Mama" ganz einfach großartig.

Mit Lambchop sehe ich nicht nur ein fettiges Lammkotelett vor meinen verquollenen Augen, sondern eine fast 15- köpfige Combo aus Tennesse. "All Smiles And Mariachi" stimmt einen nachdenklich und lässt den trockenen Wüstenboden melancholisch aufschwemmen. Schön.

Ein weiteres Country-Bonbon lutscht man genüsslich bei "Sinnerman" von 16 Horsepower. Diese Band durfte man schon beim legendären Orange-Blossom Festival live erleben. Das von Glitterhouse Records organisierte Musikfest lädt jedes Jahr in eine alte Villa in Beverungen ein und hier hört man alles über Singer/Songwriter, Blues, Folk, Country bis hin zu Hillybilly, Pop und Swamp. Sehr zu empfehlen, genauso wie diese Band. Seit Anfang der 90er Jahre beglückt diese Gruppe aus Denver ihre Fans. Sänger David Eugene Edwards klingt dabei so schön düster und betört mit seiner tiefen Whiskey-Stimme. Mit ihm würde ich auch mal gerne einen heben.

Nach Amerika zieht mich eigentlich gar nichts, aber beim Hören von "Diggin' Deep" möchte ich sofort die Koffer packen, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten entdecken und mit dem Lucky Strike-Man Richtung Sonnenuntergang reiten. "Wieher!"

Trackliste

  1. 1. Freddy Johnston - Broken Mirror
  2. 2. Whiskeytown - Bar Lights
  3. 3. Lucinda Williams - Right In Time
  4. 4. Ryan Adams - Come Pick Me Up
  5. 5. David Wilcox - Eye Of The Hurricane
  6. 6. Calexico - Ballad Of Cable Hogue
  7. 7. Missouri - You And Vodoo
  8. 8. Uncle Tupelo - Wait Up
  9. 9. Nicolai Dunger - Hey Mama
  10. 10. Steve Earle & The Del McCoury Band - Long, Lonesome Highway Blues
  11. 11. The Schramms - Torn In Two
  12. 12. Steve Wynn - Shades Of Blue
  13. 13. Cary Hudson - By Your Side
  14. 14. Lambchop - All Smiles And Mariachi
  15. 15. Robert earl Keen - Not A Drop Of Rain
  16. 16. 16 Horsepower - Sinnerman
  17. 17. The Walkabouts - Radiant
  18. 18. Son Volt - Strands

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