laut.de-Kritik
Funk, Pop und Elektro treiben wilden Sex miteinander.
Review von Florian SchadeSchon mal auf der Suche nach dem optimalen Mixtape gewesen? Hier ist es. Die drei Franzosen von Dirty verschieben die Formgebung des Easy Listening bis an die Grenzen der subjektiven Playlistgestaltung. Hier treiben 40 Jahre Pop, Funk, R'n'B und Elektro wilden Sex miteinander.
Selbstbewusst eröffnen gleich zwei Intros hintereinander den Reigen dieses brilliant kompilierten Pop-Happenings. Ein lässiges Cembalo-Menuett aus dem Jahr 1969 gefolgt von einem kurzen Post-Elektro-Plaisir von 2004. Erster Höhepunkt ist Sa Ras Low-Funk Stück "Glorious" mit einem hinreißend entstellten Basslauf. Eine futuristische Soul-Hymne, deren Gospel-Anleihen dem Schöpfer den direkten Weg in den Himmel ebnen sollten.
In luftige Höhen entführt uns Simon Dupree, ein One-Hit-Wonder aus den späten Sechzigern, mit "Kites". Dieser semi-psychedelische Prä-R'n'B-Sound versucht sich an einer fröhlichen Färbung des damals vorherrschenden Psycho-Genres. Airs "Alpha Beta Gaga" kommt im Jackson-Remix gleichfalls verspult und ungewohnt eigen rüber. Das Original ist fast nicht mehr zu erkennen.
Und der Trip geht weiter: I Monster kombinieren wummernden Old-School-Bass mit den klaren Stimmchen eines Kinderchors - nach eigener Aussage "Musik für Horrorfilme, die nie gedreht wurden". Im Kontext des vorangegangenen, in den frühen Achtzigern verhafteten "Metal Beat" von Ultravox-Gründer John Foxx ein weiterer Glücksgriff in die minimalistische Plattenbox.
Wunderschön auch die Wahl des Martin L. Gore-Tracks "Compulsion" von 1989. Einer der ersten Soloversuche des Depeche Mode-Masterminds zeigt, dass er nicht nur vituos mit den Synthesizern, sondern auch mit seiner Stimme umgehen kann. Weitgehend unbekannt ist die folgende Yello-Produktion "Daily Disco", die man ungestraft als frühe Saat der Euro-Disco-Bewegung bezeichnen darf.
Die angeführten Beispiele sind nur ein Auszug dieser grandiosen Klangcollage aus dem Hause Dirty. Diamanten dieser Art wünscht man sich häufiger, öffnen sie doch den Horizont für die klangfüllende Soundbastler-Avantgarde ohne allzu aufdringlich zu werden. Ein unterhaltsames Hörerlebnis. Ein Aha!-Effekt. Kaufen.
Noch keine Kommentare