Various Artists - " Neue Heimat 4"

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Musiker und Produzenten aus Deutschland ein neues Selbstbewusstsein entwickelten. Im Zuge des Electroclash-Hypes guckten Musikbegeisterte aus der ganzen Welt neidvoll auf die Nachfahren von Kraftwerk und ihre elektronische Popmusik. Sichtbarer Ausdruck dieses neuen "Wir sind wer"-Gefühls ist die Sampler-Reihe "Neue Heimat", die dieser Tage ihre vierte Auflage erlebt und gewisse Auszehrungserscheinungen nicht mehr verleugnen kann.

Die zeigen sich überdeutlich beim Blick in die Tracklist der Doppel-CD "Electronic Music Made in Germany". Warteten die ersten beiden Neue Heimat-Kompilationen noch mit der ersten Produzenten-Garde auf, so regiert auf "Neue Heimat 4" der belanglose Durchschnitt. Das Plagiat tritt an die Stelle des Originals. Namen wie Sven Väth, 2raumwohnung, Heiko Laux, Peaches, Northern Lite und The Notwist sucht man hier vergebens. Stattdessen dürfen eine ganze Menge zweitklassiger Projekte in die erste Reihe aufrücken, die noch vor zwei Jahren keine Chance gehabt hätten sich auf "Neue Heimat" wiederzufinden.

Seichten Elektropop fahren die "Neue Heimat"-Macher gleich im Dutzend auf. Ob von der Mediengruppe Telekommander oder Lexy, sie alle schaffen es nicht, sich im Gehörgang festzusetzen. Leicht wie ein Happymeal von McD sind die meisten Tracks zu konsumieren. Und genauso schnell verflüchtigen sie sich auch wieder. War da was? Bin ich wirklich gesättigt? Oder war alles nur eine Illusion?

Natürlich gibt es auch einige Produzenten, die dem Anspruch der "Neue Heimat"-Reihe Rechnung tragen. Die "nationale Avantgarde" will sich hier präsentieren, wie das Presseinfo lauthals verkündet. Und in der Tat schimmern zwischen beliebigem Elektro-Gesäusel auch einige kostbare Perlen hindurch, die zu entdecken sich lohnt. DJ Hell mit Suicide-Schreihals Alan Vega an der Seite fällt genauso in diese Kategorie, wie der Bpitch-Act Sascha Funke, dessen "Forms & Shapes" im Paul Kalkbrenner Remix sicherlich zu den Highlights von "Neue Heimat 4" zählt.

Ganz vorne dabei darf sich auch Heiko Voss wissen, der in der Vergangenheit mit seinen Releases zusammen mit Thomas Schaeben auf Kompakt bereits positiv Credits für sich verbuchen konnte. An seinen Track "I Think About You", ebenfalls auf Wolfgang Voigts Kompakt-Label erschienen, legte DJ Koze seine gefragten Remixfingerchen und entlockte dem Mischpult den vielleicht besten Track von "Neue Heimat 4".

Oben genannte Perlen können jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die "Neue Heimat"-Chefs dringend ihre Definition elektronischer Musik erweitern sollten, wollen sie mit der fünften Auflage nicht gänzlich der Langeweile Vorschub leisten. Mehr Electro und weniger Pop könnte die Marschrichtung lauten, schließlich gibt es auf Labels wie Datapunk, Festplatten oder Kanzleramt noch mehr als genug zu entdecken. Dann würden die zwei auf dem Cover vielleicht auch wieder ein bisschen fröhlicher dreinschauen.