laut.de-Kritik

Die internationale Verschwörung der Geräusche ist am Werk.

Review von

Eine der großen Erfindungen der Moderne ist es gewesen, die Töne vom Ort ihres Ursprungs frei zu machen, von ihrer Gebundenheit zu lösen. 1877 nahm diese Entwicklung der Mobilität von Tönen ihren Anfang, als Alva Edison zum ersten Mal einen Phonographen zur Auszeichnung von Sprache benutzte. CDs und Internet sind heute an die Stelle von Phonograph und Grammophon getreten. Ihre Idee ist indes dieselbe: die Töne von ihrem Ort zu befreien und damit (aus-)tauschbar zu machen. "One Word One Sound", ein von der Abteilung Hörspiel und Medienkunst des Bayerischen Rundfunks initiiertes Projekt, spielt mit genau jener Vorstellung in doppelter Weise. Heraus gekommen ist dabei eine spannende Compilation, die den Zuhörer zum Mitspieler, zum Tondetektiv ernennt.

Doch der Reihe nach. Zunächst einmal waren da nur zehn Sprach- und zehn Tonsamples. Die Sprachsamples umfassen ein Wort und sind Lesungen oder Performances von Autoren entnommen. Die Tonsamples formieren sich alle um das Thema Papier. In den Samples wird Papier gefaltet, gerollt, zerrissen oder zerschnitten. Jeder der zehn Künstler erhielt nun zwei Samples zugeschickt, die Ausgangspunkt der Komposition wurden. Den Sprach- und Tonfetzen angenommen hat sich eine illustre Schar musikalischer Querdenker, wie zum Beispiel Alex Hacke von den Einstürzenden Neubauten, die japanischen Oberkrachmacher Merzbow oder Peter Rehberg, der es mit Jim O'Rourke zusammen gerne mal aus den Lautsprechern knarzen und fiepsen lässt.

Zugegeben, wer eingängige Songs liebt, der wird an "One Word One Sound" keine Freude haben. Wer sich allerdings auf das Spiel einlässt und sich auf die Suche nach den beiden Samples macht, die zu Beginn jedes Stückes eingespielt sind, der wird sicher nicht enttäuscht. Kid 606, jüngst in die Liste der Depeche Mode-Remixer aufgenommen, umschmeicheln das Ohr mit sanfter Elektronik, während Merzbow ihrem Ruf als Industrial-Legende treu bleiben und mit schweren Geräuschen beladene Papierwellen über dem Zuhörer hereinbrechen lassen. Spannend bleibt es allemal zu hören, wie weit sich die Interpreten von der Ungebundenheit der Samples haben verführen lassen und diese in ganz neue Sounds überführt haben.

Trackliste

  1. 1. Sparks - Papier schnippen
  2. 2. Alexander Hacke - Papier falten
  3. 3. Merzbow - Papier wellen
  4. 4. FX Randomiz - Papier rollen
  5. 5. Loopspool - Papier reiben
  6. 6. Chrislo - Papier knüllen
  7. 7. Kid 606 - Papier reißen
  8. 8. Zentralflughafen - Papier zerren
  9. 9. Peter Rehberg - Papier Kanten reiben
  10. 10. Lesser - Papier schneiden

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