laut.de-Kritik
Hart, härter, Hate-Core ...
Review von Stefan JohannesbergPunk ist ... Nein, stopp! Keine Diskussionen über die Kurz- oder Langlebigkeit der Punk-Bewegung. Er atmet noch, wie Bands und Iros auf Deutschlands Straßen beweisen. Nur das zählt. Natürlich hat das Genre auch eine Geschichte, schrieb Geschichte und kommentierte sie. Von den textlichen, ideellen und musikalischen Veränderungen und Weiterentwicklungen des Deutsch Punk legt der 3-CD-Sampler "Punk Rock BRD" Zeugnis ab.
1977 bis 1982
Die Urform. Alle dürfen, alle machen. Sprich: was zählt, ist die Einstellung. Mit der rohen Energie der Anfangstage, verpackt in einfache 3-Akkorde-Rhythmik, poltern Toxoplasma, Daily Terror, Hass und Konsorten gegen Popper, Führertum, Kalten Krieg und Staat. Bei den einen heißt er "Verbrecherstaat", bei den NDW-Rockern Abwärts "Computerstaat", die Richtung bleibt die Gleiche: links.
Doch unterscheiden sich die Punkbands von dogmatischen Anarchisten und Sozialisten. Saufen und Spaß, Sex, Drugs And Rock'n'Roll spielen eine große Rolle wie Hans-A-Plasts "Rock'n'Roll-Freitag" und PVCs "Wall City Rock" dokumentieren. Die Bandbreite reicht von der umstrittenen ostdeutschen Combo OHL bis zu den Düsseldorfern Male vom späteren Krupps-Boss Jürgen Engler. Die Sluts bringen den frühen Punk-Spirit auf den Punkt: "Ich will anders sein. Ich will nicht so sein wie du."
1983 bis 1989
Die Belastbarkeit des Punk in punkto Vielseitigkeit wird in den Achtzigern getestet. Jingo De Lunch versuchen sich am Crossover aus Punkrock und Metal, die Spermbirds reiten rasend schnell mit Gott auf dem Skateboard, und die Upright Citizens spielen englischsprachigen Hardcore der ganz energischen Schule.
Die Toten Hosen prollen im Manta-Milieu und hängen dank Campinos Charisma kommerziell alle anderen ab. Blut + Eisen zocken High Speed-Deutsch Punk, während sich EA 80 dem gedankenschweren Gothic Punk mit durchdachter Songstruktur widmen. Die Richtung bleibt jedoch bei allen gleich: Weg vom einfachen 3-Akkorde-Parolen-Punk.
1990 bis heute
Stilsicher, musikalisch und lyrisch deutlich weiter entwickelt eröffnen Slime mit "Schweineherbst" das Grande Finale des Open End. Gitarrensoli, Hooks, Breaks, und Brigde, alles ist erlaubt. Die Themen bleiben zwar die gleichen, auch wenn sich linkspolitisches Gedankengut eher in persönlicher Poesie manifestiert. Der Mensch und nicht der politisch Korrekte stehen im Mittelpunkt.
Bestes Beispiel: But Alive. Das Booklet spricht von "textlich turmhohen Maßstäben". Irgendwo zwischen Deutsch Punk, Hardcore und Emo setzten sich die Hamburger zwischen alle Stühle. Gleich daneben hocken im Schneidersitz Rantanplan (But Alive-Sideproject) und die Boxhamsters. Erstere verfeinern den beschriebenen Sound mit ska'schen Bläsereinsätzen, und letztere zieht es mehr zum melodischen California-Punk.
Hart, härter, Hate-Core. Auch die Hartwurst-Skala sprengen Bands wie Hammerhead, Recharge oder Rawside immer wieder. Wie sonst sollte man in diesen abgestumpften Zeiten noch Emotionen hervorrufen. Zu guter Letzt zeigen 'Stars' wie Die Ärzte, Wizo und die Terrorgruppe, dass Punk auch mittlerweile im Mainstream fest verankert ist. Punk's Not Dead.
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