laut.de-Kritik
Bewährter Kitsch mit internationalem Anstrich.
Review von Dominik KautzIm Zirkus großer Emotionen und persönlicher Offenbarungen heißt es bei VOX alle Jahre wieder: "Sing meinen Song – Das Tauschkonzert". In der sechsten Ausgabe geht es mit Gastgeber und Moderator Michael Patrick Kelly zurück nach Südafrika.
Vor zwei Jahren war er bei diesem Format schon einmal zu Gast, allerdings als Teilnehmer, nicht als Gastgeber. In seiner Rolle als singende Herrentorte bescherte er der privaten Sendeanstalt damals einen Quoten-Rekord. Für "Stadion-Paddy", wie Kollegen Kelly nennen, bedeutet diese Rückkehr ein Anliegen, das ihm länger schon auf dem Herzen liege: "Die Erfahrung in Südafrika 2017 bleibt unvergesslich und ich hatte mir insgeheim gewünscht, irgendwann nochmal dabei zu sein" rekapituliert er. So sei es denn!
Für die aktuelle Runde hat Kelly Milow, Wincent Weiss, Johannes Oerding, Alvaro Soler, Jeanette Biedermann und Jennifer Haben im Gepäck. Das Konzept der Sendung ist hinlänglich bekannt: Jeder Teilnehmer bringt seine größten Hits mit, die die jeweils anderen im Tausch interpretieren. Neu ist in der aktuellen Ausgabe allenfalls eine größere musikalische Vielfalt und ein internationaler Anstrich in bis dato unerreichten Ausmaß.
Milows Interpretation von "Musik Sein" zollt der Internationalität Tribut: Der Belgier trägt den von Wincent Weiss stammenden Titel bilingual in deutscher und englischer Sprache vor. Das Singen in der hiesigen Landessprache stellt für den sonst auf Englisch vortragenden Chartsstürmer eine Premiere dar. In seiner Version wird der Titel zu einem ruhigen Popsong mit Folk-Anstrich. Zwar ist "Musik Sein" gut gesungen, fügt dem Titel aber, abgesehen von der Zweisprachigkeit, nichts wesentlich Neues hinzu und bleibt somit (wie auch das pathetische Original) verzichtbar.
Gleiches gilt für seine Version von "Ein Geschenk", das im Original von Jeanette Biedermanns Band Ewig kommt. Milow benutzt wieder das Englische und macht aus der Nummer ein poppiges, von einer akustischen Gitarre lebendes "As Good As It Gets". Der Belgier punktet klar mit seiner Stimme: Singen kann er wirklich gut.
Als Sängerin ohne Ewig interpretiert Jeanette Biedermann Johannes Oerdings "Nie Wieder Alkohol" in einer rockigen Version, die das Original definitiv aufpeppt. Damit liefert sie eine kleine Überraschung ab. Stimmlich legt sie sich so ins Zeug, dass sogar Oerding anerkennt: "Da hat sie echt was Besseres draus gemacht."
Eine angestrengte Performance liefert Biedermann mit ihrer seichten Rock-Version von "In The Shadows", das im Original Jennifer Haben singt. Sie ist in Kreisen der abendfüllenden Unterhaltungsshows ein bisher relativ unbeschriebenes Blatt und beschallt das Mikrofon ansonsten als Sängerin der Mannheimer Symphonic-Metal-Band Beyond The Black, die sich irgendwo zwischen Nightwish und Within Temptation bewegen. Auf dem Wacken Open Air spielten sie auch schon. Beyond The Black 1 : Biedermann 0.
Jennifer Haben ist stimmlich über alle Zweifel (er)Haben. (Für das schlechte Wortspiel dürft ihr mich später gerne hauen.) Die gebürtige Saarländerin ist die erste Metal-Sängerin bei "Sing Meinen Song". Aus Kellys folkig-balladeskem "Salve Regina" wird bei ihr eine nach vorne gehende Powerballade. Sie singt den Song ebenfalls auf Latein. Dafür gibt es den Exoten-Bonus: einer der stärkeren Beiträge auf dem Album.
Alvaro Solers Beiträge dagegen nähern sich einem Totalausfall. Seine Version von Ewigs "1 Mit Dir" gehört zu jener Kategorie nachgespielter Songs, die sich unwesentlich vom Original unterscheiden und diese dabei sogar noch untertreffen. Kann das weg? Aber sicher doch! Johannes Oerdings "Kreise" reichert Soler mit schemenhaften Salsa-Vibes an, die ebenfalls kein Mensch braucht.
Und wie steht es um Johannes Oerdings Beiträge? Er covert das stellenweise an Santiano erinnernde "Sofia" seines Kollegen Soler unter Beibehaltung der im Original benutzten spanischen Sprache. Das klingt eher hölzern denn gekonnt. Mit "Hoffnung" interpretiert Oerding zudem die Ballade "Hope" von Gastgeber Kelly komplett auf Deutsch. Obwohl sich der Song als Ganzes nicht mit Kellys Version messen kann, spielt Oerding hier seine stimmlichen Karten voll aus und teilt sich so gleichermaßen Lob und Tadel mit Milow.
Als Gastgeber und alter Hase im Geschäft liefert Kelly mit Milows "Way Up High" einen emotionalen und sehr überzeugenden Beitrag ab, vielleicht sogar den stärksten der ganzen Zusammenstellung. Kelly widmet die Interpretation seinem verstorbenen Vater und gibt dem Song mit seiner ausdrucksstarken Stimme eine im Original nicht erreichte Intensität, die sich über den Verlauf des Songs langsam steigert.
Zusätzlich fügt er dem Text die aus Psalm 130 stammenden und leicht abgewandelten Verse "Out of the depths I cry to you / Hear my voice / Let your ears be attentive to my supplication / I wait for the Lord / I wait for you Lord" hinzu. Das abschließende "Redemption" gipfelt in einem aus vollem Halse gesungenen und fast geschrienen, zehnsekündigen Melisma. Mehr Emotion geht an dieser Stelle kaum. Damit macht er "Way Up High" gewissermaßen zu seinem eigenen Song.
Aufmerksame Köpfe bei VOX haben die Zeichen der Zeit erkannt und wagen sich mit größerer musikalischer Vielfalt und einem am Ende doch eher pseudo-international wirkenden Anstrich in neue Gefilde. Zu großen Teilen ist das aber vergebene Liebesmühe. Einzig die Beiträge von "Stadion-Paddy" und Jennifer Haben holen auf dem neuesten "Sing Meinen Song"-Sampler die Kohlen aus dem Feuer.
Neben der normalen gibt es übrigens auch noch eine Deluxe-Version mit allen Songs aus der TV-Show auf Doppel-CD. Wers braucht ...
2 Kommentare
Paddy ist klar der einzige Lichtblick hier. Der kann halt wirklich was und ich bin nun wahrlich kein Fan der Kellys.
mannometer - sone Scheibe bei laut.de!!