laut.de-Kritik
Hier steckte die Elektronik noch in den Kinderschuhen.
Review von Daniel StraubDo it yourself - das war eine der wichtigsten Errungenschaften des Punk. Auf die Musik bezogen, waren die Schlussfolgerungen so naheliegend wie einfach. Jeder konnte fortan Musiker sein. Jeder konnte ein Label betreiben. Finanzieller Erfolg spielte in dieser Rechnung keine Rolle. Veröffentlicht wurde auf Tape, das war billig und ging fix. Es bedurfte lediglich einer guten Idee. So haben etwa die Einstürzenden Neubauten die ersten Schritte ihrer Karriere gemacht. Und auch in Großbritannien entstand Ende der 70er eine lebendige Szene.
Später wurden die meisten dieser Veröffentlichungen unter dem Begriff Experimental/Industrial in die Musikgeschichte eingegliedert. Wie alle Kategorisierungen unterschlägt auch diese die kreative Vielfalt der Künstler von damals, wie sich auch bei vorliegender Compilationzeigt. Das britische Label Snatch Paste war Anfang der 80er Jahre die Plattform für eine ganze Reihe von Acts, deren musikalisches Spektrum von synthetischem Minimal über melodischen Wave bis hin zu experimentellen Noise-Tracks reichte.
Nun ist bei Vinyl-On-Demand eine Compilation erschienen, die Auszüge der ersten drei Snatch-Tapes wiederöffentlicht. Darunter sind Tracks, die bei Liebhabern von dunklen Ambientklängen auf offene Ohren stoßen dürften. Wer Bands wie Coil, Lustmord oder Current 93 zu seinen Favoriten zählt, wird bei David Jackman hellhörig. Mit seinem geloopten Track "Blues" steckt der spätere Organum-Mastermind bereits 1981 sein Terrain konsequent ab, auch wenn das beklemmende Moment hier lediglich in Ansätzen anklingt.
Mannequin Moves, The N4s und Alien Brains leben vor allen Dingen von ihrer Experimentierlust, die mitunter zu interessanten Ergebnissen führt. The N4s rücken sich mit Gitarrenimprovisation in die Nähe von Krautrock-Bands wie Faust oder Neu!. Mannequin Moves "The Girls You Left Behind" lebt dagegen von seiner spielerischen New-Wave-Attitüde, die sich in ihrer plakativ zur Schau gestellten Naivität gefällt.
Den Schlusspunkt unter "Snatch Tapes" setzen Claire Thomas & Susan Vezey mit der freundlichen Ambient-Nummer "Diamonds & Ashes". Hier steckt die Elektronik noch in den Kinderschuhen. Gleichwohl gehören Loops und Samples schon zum Handwerkszeug. Zehn Jahre später wird eine neue Generation von Musikern die 90er Jahre zum Jahrzehnt der elektronischen Musik machen. Dies Compilation zeigt, wessen Kinder im Geiste jene Produzenten- und DJ-Generation ist.
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