laut.de-Kritik
Goldkettchen mit Eurozeichen und andere billige Plagiate.
Review von Alexander EngelenGoldkettchen mit Eurozeichen. So weit musste es also kommen mit dem endlosen Abkupfern amerikanischer Hip Hop-Klischeebilder. Als ob die Zurschaustellung von dicken Karren, herumwirbelnden Geldscheinen, halbnackten Stripteasetänzerinnen und sonstigem Machogehabe nicht schon zur Genüge in Ami-Rap-Videos kommuniziert worden wäre.
Nein, die bescheuerten Deutschen machen es noch nach. Mehr noch: Sie pausen es ab. Sogar diejenigen, die sich beharrlich darauf versteifen, angeblich so frischen Wind in das Genre zu bringen.
Drauf geschissen, Aggro Berlin. Der Großteil eurer Videos sind Plagiate einer mit Argwohn zu betrachtenden Bewegung, die das Fehlen von Realitätswahrnehmung durch Kokettieren mit zutiefst materialistischem Gehabe kompensieren will.
Im Großen und Ganzen spreche ich dem erfolgreichsten (Rap-)Indie-Label Deutschlands die Fähigkeit zu Innovationen zu - musikalisch, ästhetisch, im Verkauf und vor allem in der Vermarktung. Bei den Musikvideos hat Aggro Berlin jedoch bis auf wenige Ausnahmen versagt.
"Aggro Videos Teil 1" liefert dafür den Beweis: Polierte Leihwagen cruisen durch heruntergekommene Plattenbauten, halbnackte Schönheiten räkeln sich auf den Motorhauben und dicke Goldketten blitzen von den Hälsen hart posierender Halbstarker. Damit ist schon mindestens die Hälfte der Kurzfilme beschrieben.
Dass die Clips filmisch auf hohem Niveau spielen, ist dabei eher netter Nebeneffekt als eine Entschuldigung für sich stetig wiederholende Szenen und Einstellungen. Sicherlich brilliert ein Clip wie Sidos "Mein Block" mit seiner kühlen Bildsprache und Hochhäusern in Grauschleier. Auch "Steh Wieder Auf" punktet mit mutiger Metaphorik - Sido auf dem elektrischen Stuhl oder hängend am Kreuz.
Dass Kreativität und damit Qualität jedoch nicht zwangsläufig vom filmischen Anspruch abhängig sind, zeigen das in Schwarz-Weiß gehaltene "Wir Bewahren Die Haltung" und im speziellen der Clip zu "Ey Yo!" der Lieblings Rapper Sido und Harris. Ohne Schnitt hält die Amateurkamera zwei Entertainer fest, wie sie offenbar spontan einen (ziemlich hirnlosen) locker nickenden Track interpretieren. So macht das Ganze irgendwie noch Spaß.
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