laut.de-Kritik
Dem Tod ein Lächeln, das Bier fließt in Bächen.
Review von Manuel BergerIm Mittelaltergenre Authentizität zu attestieren, ist wohl nur schwer haltbar. Schließlich wird niemand je wissen, was die Minnejungs und Gaukler mit moderner Studiotechnik angefangen hätten. Versengold jedenfalls sind ganz begeistert davon. Man kann eben nicht das ganze Jahr über im Wams über Mittelaltermärkte tingeln, und so erstrahlt "Funkenflug" in glatt gebügeltem Designer-Gewand. Wem Lagerfeuer und Met zu anstrengend ist, der kann also guten Gewissens damit im Ohr mit Club-Mate um den Elektro-Kamin tanzen.
Wie bei der kristallklaren Produktion reibt auch musikalisch und textlich rein gar nichts in "Funkenflug". Alles harmonisiert, gerne in Dur, und die Reime reimen sich ganz wunderbar in metaphorischer Nostalgie ("Sie weinte vor Glück heiße Tränen aus Glas / Und zog mich zum Tanze hinauf / Sie lachte und flog über Wiesen und Gras / Und die Funken, sie stoben darauf"). Negative Gefühle kommen wenn überhaupt nur oberflächlich zur Sprache, sobald Malte Hoyer droht, allzu tiefsinnig zu singen, kratzt er flugs die Kurve zu Trunk und Tanz und Lebensfreude. Selbst dem Tod lächelt er entgegen, wünscht sich eine Taverne auf dem Grab und trällert mit unbekümmertem Grinsen: "So ein Abschied ist ein Trauerspiel, das ist mir ja auch klar / Doch wir sind nunmal alle dran, scheiße aber wahr" ("Haut' Mir Kein Stein").
So manchem dürfte die fast schon penetrant gute Laune den Spaß an "Funkenflug" verderben, allerdings geht Versengold darüber nicht der musikalische Anspruch verloren. Vor allem ihre Arrangements können sich hören lassen, wie etwa in "Feuergeist". Das Hauptthema unterzieht die Band mehreren Variationen und bietet so in gut vier Minuten reichlich Abwechslung. Erst begleitet nur eine Akustikgitarre den noch sehnsüchtigen Gesang, dann bricht die volle Breitseite Gefidel herein und Malte schwingt rhythmisch das Tanzbein. Der folgende Refrain ertönt im Chor und mit wuchtige Trommeln. So wogt das Stück beständig auf und ab.
Ihren stärksten Moment haben Versengold im Instrumental "Biikebrennen". Zu Handtrommeln und energischen Gitarrenakkorden begeben sich die Geiger auf einen wilden Ritt und zeigen, dass es manchmal einfach keinen Text braucht. Denn während man sich anhand der Musik oft Wegträumen könnte, reißt einen Maltes doch sehr "heutige" Vortragsweise auf alt gebügelter Lyrik bisweilen aus der Illusion.
Im ruhigen, klaviergetragenen "Nebelfee" gelingt die Balance, im leicht gesellschaftskritisch angehauchten "Das Wär' Ein Traum" sind die Vocals gar das stärkste Glied, bewegt sich Malte hier doch einmal aus der melodieseeligen Komfortzone heraus. Doch wenn "Solange Jemand Geige Spielt" mit Stadion-"Oh-oh-oh" herankriecht und nicht nur die Zeile "Wenn sie tanzt...", sondern die gesamte Aussage Max Giesinger beschwört, schlägt das Deutschpop-Höllometer eben doch einen Tacken zu hoch aus. Seinen Tiefpunkt erreicht das "Funkenflug" im Saufkalauer "Verliebt In Eine Insel". Würden Santiano Werbung für Bratmaxe machen, klänge das wohl so ähnlich. Mich würde interessieren, was Iren zu dieser Liebeserklärung an ihr Land und ihre Pubs sagen...
So bleiben Versengold auch auf ihrem achten Album eine zweischneidige Angelegenheit. Einerseits wirkt ihr Enthusiasmus zu keiner Zeit aufgesetzt und sie nutzen den durch zunehmende Pop-Orientierung aufpolierten Sound, um ihre Instrumente druckvoll zur Geltung zu bringen. Andererseits sorgt die fast zwanghaft aufrechterhaltene Unbeschwertheit auf Melodieebene für gehörigen Dudelfaktor, je länger "Funkenflug" geht. Denn unermüdlich Tonleitern zu spielen und über Freundschaft und leere oder volle Fässer zu singen, mutet 2017 wahrlich mittelalterlich an.
2 Kommentare
ungehört
"So ein Abschied ist ein Trauerspiel, das ist mir ja auch klar / Doch wir sind nunmal alle dran, scheiße aber wahr"
Würde ein Rapper sowas bringen, hätte man ihn in der Review dafür gesteinigt.