laut.de-Kritik

Zwischen Fink, Turbostaat und Ja, Panik.

Review von

Die jugendliche Leichtigkeit ist verdunstet. Übrig bleibt ein dichter Nebel aus Zweifel, Frustration und Vorwürfen. Auf der alten, mit Erinnerungen verklebten Lederjacke schmiert dieser Film das impressionistische Porträt des Zeitgeistes.

Vierkanttretlager haben sich weiterentwickelt. Schon vor vier Jahren klang der Sänger mit seinen 20 taufrischen Jährchen wie ein verbitterter alter Mann. Inzwischen ist er unwesentlich älter, ist die Verbitterung, die ihn umtreibt, eine andere. Er klagt wütend an, statt zu resignieren. Charmant pöbelnd und sprachlich sehr präzise rennt er mit steilen Thesen voran, packt die Hörerschaft am Ohrläppchen und zieht daran, bis das Kleinhirn auch mal Aktivität zeigt.

Zuhören reicht hier nicht. Mitdenken wird gefordert, und zwar direkt. Abstrakte Formeln überlassen Vierkanttretlager den alten Knackern der Hamburger Schule, wälzen sich allerdings zeitgleich in deren Glanz. Geradezu süß und putzig wirkt der Erstling "Die Natur Greift An" im Gegensatz zur neuen Platte.

"Krieg & Krieg" setzt in 32 Minuten Spielzeit Kontraste zwischen hartem Brett ("Butterfahrt Nach Camelot") und zartem Sprießen ("Kaktusblüte"), die im zauberhaften finalen Song "Schweigen" münden. Wenn Max Richard Leßmann "Die Letzten Nächte Waren Schrei" herauspresst und leise hinterher raunt: "diese wird Schweigen sein", brennt sich Gänsehaut auf den Neocortex.

Die Lyrics spiegeln sich im akustischen Gewand, wenn beispielsweise auf ein kurzes Atemanhalten nach "und als ich dich küsste" eine verspielte Gitarre folgt ("Blumenkränze Und Applaus"). Voller Energie spucken Vierkanttretlager Noise-Effekte in die rohen Schrammelgitarren und wissen aber auch, wann ein bisschen Zurückhaltung und einfühlsame Melodien angebracht erscheinen.

Mit zwei Bandmitgliedern weniger kommen die Songs weniger vielschichtig und viel direkter daher.
Die Lyrics treffen auf den Punkt, dennoch fragt sich der Hörer schon dann und wann, was die Bengel eigentlich treibt: "Dabei weiß doch jedes Kind, wer tot ist, der gewinnt." Äh, ja. Ernsthaft?

"Ich denke es ist Zeit, dass endlich alles schweigt" wirkt wie der Gegenentwurf zur vorangegangenen Entgleisung im Song "Der Letzte Satz Der Welt", der hingegen mit anbetungswürdigen Zeilen besticht. Das Trio gibt sich rissig statt gekünstelt und erarbeitet sich mit dem erwachseneren Album in der deutschsprachigen Musiklandschaft ein Standing zwischen Findus, Turbostaat und Ja, Panik.

Trackliste

  1. 1. Krieg & Krieg
  2. 2. Lass Uns Den Verstand Verlieren
  3. 3. Blumenkränze Und Applaus
  4. 4. Narben
  5. 5. Kaktusblüte
  6. 6. Wer Tot Ist
  7. 7. Butterfahrt Nach Camelot
  8. 8. Der Letzte Satz Der Welt
  9. 9. Jetzt Für Immer
  10. 10. Schweigen

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