laut.de-Kritik
Leck mich W.E.T.
Review von Yan VogelAls Referenzrahmen für das Allstar-Projekt W.E.T. dienen Boston, Journey, Toto, Bon Jovi, Def Leppard oder Europe, die mit kommerziellem Hardrock und AOR gerade in den Achtzigern die Massen begeistert haben. Wer jetzt Tränen der Rührung und Vorfreude in den Augen hat, kann gerne weiterlesen. Für diejenigen Hörer, die es ob der oben genannten Band graut, bitte stoppen.
Wo andere Bands in der Zwischenzeit andere Stile ausprobieren, nehmen Robert Såll (das 'W' aus Work Of Art), Erik Mårtensson (das 'E' aus Eclipse), and Jeff Scott Soto (das 'T' aus Talisman) die Ausfahrt 1989 und düsen direkt in die Zukunft.
Beweis gefällig? Der Einstand "Big Boys Don't Cry" knallt richtig rein. Leck mich W.E.T. Der Refrain dürfte selbst Desmond Child zu Tränen rühren, holt die Sterne vom Himmel und zimmert ein akustisches Denkmal ins Hörer-Hirn. Meines Erachtens steht der Opener auf einer Stufe mit Def Leppards Dauerbrenner "Photograph". Laser-Light, Spandex und Dauerwelle gehören ab sofort wieder zur Grundausstattung in Sachen Mode und Trend. In der kurzen Bridge kommt auch eine Cowbell zum Einsatz. Hammer. Höchstnote.
Der Moment der Wahrheit folgt mit "Moment Of Truth". Halten W.E.T. das schwindelerregende Niveau? Ja, in dem sie Varianten einstreuen. Mal agiert die Formation ein wenig härter, mal dominieren die Synths. Ausfälle an der Hook-Front gibt es wenige. "How Far To Babylon" und "You Better Believe It" gelingen nicht ganz und sind zu bieder.
Dies reißen "The Call Of The Wild", "One Final Kiss" oder "Beautiful Game" locker raus. Bei letztgenanntem Track wähnt der Hörer sich bei "Top Gun". "Coming Home" mit seinen flirrenden Gitarrenmelodien atmet gar den Geist des legendären Debüts von Boston.
Bei "What Are You Waiting For" schleicht sich Ex-Journey Schmachtpapst Steve Perry wie ein schnurrendes Kätzchen ins Gedächtnis. Manch melodisches Schmankerl könnte vom Grandseigneur des AOR stammen.
Mårtensson und seine Mitstreiter sind findige Lied-Architekten, die wissen was funktioniert und was nicht. Textlich ist das alles sehr voraussehbar. Es gibt entweder "Höhen oder Tiefen", "No pain, no gain" oder "From hero to zero". Mal sieht man die Straße voller Tränen nicht. Auf der ganzen Welt ist man auch schon rumgekommen und hat Millionen Mädels auf dem Kerbholz.
Musikalisch ist das Trio nie um die große Geste verlegen, weiß diese jedoch mit zahlreichen Facetten auszuschmücken. Die Hook ist das Ziel, aber der Weg mitnichten egal, wie zahlreiche Harmoniewechsel, Dynamik, fette Chöre und virtuose Sperenzchen beweisen. Auch wenn Soto, der bereits Yngwie Malmsteen überlebt hat, die Frontposition hinterm Mikro besetzt, teilt er sich bisweilen mit Mårtensson den Gesang.
Im Vergleich zu den stilistisch ähnlich gelagerten H.E.A.T haben W.E.T. das gepuderte Näschen voraus. Alles Hollywood, nur Pappe und Schminke, im ersten Fall merkt man es direkt. Bei W.E.T. ist die Illusion hingegen perfekt.
1 Kommentar
Mag die Musik und die Alben der Gruppe richtig gut und gelungen, klare 5 Punkte von mir