laut.de-Kritik
60s-Lollipoppigkeit mit Fuck-it-all-Nihilismus-Glasur.
Review von Matthias Manthe"Es wäre einfach nicht mehr so niedlich, wenn du mit 35 immer noch so da sitzt, 'Wäääh, Pizza … Skateboards …'", grinst Neu-Schlagzeuger Billy Hayes seinen Instrukteur im Interview an. Das Gesprächsthema lautet Weiterentwicklung, und Wavves haben sichtlich Spaß. "So höre ich mich also an?", lacht Bandkopf Nathan Williams zurück. Beachpunks liebste Hoffnung bereut offenkundig nicht, sich mit Hayes und Stephen Pope die Jay Reatard-Rhythmusabteilung einverleibt zu haben.
Natürlich brauchte es diese Spitze eigentlich nicht, um dem Dauerkiffer die Augen zu öffnen. Für die Erkenntnis, dass Veränderung Not tut, dürfte bereits die katastrophale Festival-Performance 2009 in Barcelona gesorgt haben. Damals waren Wavves das heißeste Eisen im Indienoise-Ofen, Erwartungshaltungen beachtlich gewachsen und Williams darunter psychisch zusammengebrochen. Alkoholsucht brachte er entschuldigend an, ging anschließend in sich sowie das erste Mal überhaupt ins Tonstudio.
"Ich habe bereits zweimal dieselbe Platte mit demselben Cover-Artwork fabriziert", kommentiert sich Williams. Gemeint sind die Alben "Wavves" (2008, Kassette) und "Wavvves" (2009, CD), die in ihrer Sturm & Drang-Jugendlichkeit die Presse zu begeistern wussten. Genauso klar war infolgedessen jedoch auch, dass ihn eine weitere Anhäufung von übersteuerten Gitarren, Billigdrums und rotziger Punkphrasendrescherei bald dauerhaft in die NoFi-Schublade verfrachten würde.
Deshalb jetzt: Ambition. Der ehemalige Schlafzimmer-Produzent aus dem surfgeilen San Diego sagte dem Laptop in der elterlichen Garage Ade, rekrutierte Drummer und Bassisten und suchte Dennis Herring in Mississippi auf. Besagter ist unter anderem Produzent der beiden letzten Modest Mouse-Werke und nahm sich der Aufgabe an, den Wavves-Sound zu bewahren, aber gleichzeitig zu mehr Fokus zu verhelfen.
"Nicht alles mit Lärm und Reverb zu verwässern, macht das Albumschreiben viel schwieriger, weil du weißt, dass jeder Teil genau rausgehört werden kann", so Williams. "You can't half-ass anything." Gesagt, getan: Mit "King Of The Beach" erfüllt das kalifornische Trio jede Entwicklungserwartung ohne Trademark-Verlust.
Die Instrumente stolpern nicht mehr ziellos übereinander, sondern ergänzen sich zum kohärenten Punkrocksong. Auf das twangy Surfriff folgt eine polternde Drumabfahrt folgt ein Gitarrenüberfall nebst hymnischem Gesang. Selbst geradlinige No-Brainer wie "Post Acid" und "Idiot" profitieren von einem sowohl konzentrierteren als auch abwechslungsreicheren Songwriting. Schwärmerische Uuuuhs und Aaaahs bleiben dabei weiter entscheidender Baustoff der Stücke.
In drei Studiomonaten wuchsen aber auch ganz neue Soundfacetten. So wagt sich die Band mit "Linus Spacehead" deutlicher als je zuvor hinein in Neo-Grunge-Gefilde, in "Baby Say Goodbye" gar in 60s-Lollipoppigkeit: Unter Einbezug eines Synthesizers wird geclapt, gepfiffen, geshalalat, zartgeschmolzen und bittersüß verloren, während man für "When Will You Come?" tempomäßig gleich komplett in die Spielstraße umzieht. Wie The Jesus And Mary Chain in ihren schwelgerischsten Momenten.
Für eine Platte, die zwischen NoFi- und LoFi-Appeal steht, mag das Indiepop-Liedchen "Convertible Balloon" dem Freund alter Schule etwas zu weit aus dem Rahmen gelehnt klingen. Insgesamt bilden Schellenkranz, Glockenspiel oder gelegentliche Zuckervocals allerdings keine Antipoden. Weder zum wohlrepräsentierten Distortion-Punkrock fürs Strandbier noch zu Williams' Loser-Lyrics. Seine Texte sind weiterhin überzogen mit einer Glasur Fuck-it-all-Nihilismus ("I still hate my music, it's all the same"). Und mal ehrlich: Sind Pizza und Skateboards denn nicht eh seit jeher vor allem ... Pop?
1 Kommentar
Wavvves (2009, CD) - Also auf LP kam das Album ja wohl auch raus. Genau wie die neue.
Btw.: 5/5 von mir. Yeah