laut.de-Kritik
Der NYC-Underground lebt.
Review von Michael SchuhWährend ich diese Zeilen schreibe, gehen die Wives aus New York in New York auf die Bühne. Es ist wie immer eng da oben, aber daran ist man gewöhnt, und so fühlt es sich richtig an. Es liegt Musik in der Luft, diesmal auch im übertragenen Sinne, denn die Wives spielen im Rough Trade-Plattenladen, um ein Laufpublikum zu begeistern, das von Musikkonsum ebenfalls ein wenig mehr erwartet als Streaming in der Subway. Hier hängt noch Vinyl an den Wänden und es riecht nach der guten alten Zeit, also der ganz alten, die man als erfolgreiche Ära dieses Formats bezeichnen könnte. Die haben die Wives zwar nicht selbst erlebt, aber eifrig in sich aufgesogen, womöglich dank Plattenläden wie Rough Trade.
Bier in' Hals, Fluppe in' Mund: Das Cover deutet schon an, dass hier keine Mumford & Sons-Sympathisanten am Werk sind. Die Wives haben vielmehr ihre Pixies-Bibel gelesen und legen vor allem in "Hit Me Up" einen Kniefall vor Frank Blacks lakonischem Vortragsstil hin. Ein LP-Highlight neben dem Opener "Waving Past Nirvana", das den kratzigen Alternative-Punk des Quartetts aus Queens vorzeichnet.
"So Removed" erfindet nichts neu, klingt aber nachhaltig erfrischend, da die Band ihren Songs viele kleine Widerhaken einwebt. Ein Debütalbum, das den Odeur räudiger Keller-Gigs verströmt, verziert mit nöligem Gesang zwischen Null Bock-Attitüde und genervtem Sprechgesang. Oder wie es Sänger Jay Beach bezeichnet: "Mein misslungener Versuch, Kool Keith und Lou Reed zu kreuzen".
Beeindruckend tragen die Wives in "The 20 Teens" ihr Talent für hymnische Hooks vor, bewegen sich in "Even The Dead" und "Sold Out Seatz" disharmonisch in noisige Sonic Youth-Gefilde oder treiben gleich die Sau durchs Dorf ("Whatevr"). Motto: New York Rock'n'Roll is here to stay, ist ja auch lange genug her seit Strokes, Yeah Yeah Yeahs und Konsorten. Wives repräsentieren den NY-Underground, und so ist es wenig verwunderlich, dass Gitarrist Andrew Bailey zeitweise auch schon bei DIIV spielte.
"The Future Is A Drag" ist dann sowas wie der letzte Stehblues vor der Apokalypse, ein melancholischer Abspann auf die gentrifizierte Heimat mit ihren Coffee-to-go-Lullis, den korrupten Politikern und einem hohl drehenden Präsidenten an der Spitze. Verstärker auf "11" drehen, so lässt es sich aushalten, wenigstens für die Dauer der Platte.
Noch keine Kommentare