laut.de-Kritik
Magische Platte für friedliche Menschen.
Review von Kai KoppKennt ihr den? Was Frisöre können, können nur Frisöre. "Har har, ultralanger Bart ... " denkt ihr jetzt wieder, aber diese subtil simplifizierte Botschaft birgt in sich den berühmten wahren Kern, der - um das Thema elegant überzuleiten - auf den popmusikalischen Kontext übertragbar ist: Was Jazzer können, können nur Jazzer. (Ja, ja, das gilt natürlich auf für Brit Poper, Alternative-linge und all die anderen, die sich jetzt auf den Schlips getreten fühlen ... )
Aber im Ernst, immer wenn sich Jazzer in die vermeintliche Einfachheit der Popmusik wagen, fördern sie Erstaunliches zu Tage. Im Falle Muthspiel/Bakken sind es tiefe, emotionale, intime, ehrliche, schlicht wunderschöne Songs. Getragen von den erweiterten Sichtweisen eines Jazzerhirns (oder zwei) und eingebettet in die Gesetze gehobenen Popularliedgutes, packt (fast) jeder Song den männlichen Anteil der Erdlinge direkt an den Eiern. Die andere Hälfte der Weltbevölkerung würde dazu lediglich andere Worte formulieren. "Romantische Lieder voller Sehnsucht, Verlangen und Liebe" etwa, oder "Balladen voller Schönheit für die leisen Momente des Lebens".
Egal, wie Mann/Frau es formuliert, ich ganz persönlich, individuell, subjektiv und präferenzorientiert sage: Das ist eine magische Platte für friedliche Menschen. Der wirtschaftlich denkende CD-Dealer murmelt dazu ein forte-Kaufen, während diesem musikalischen Kleinod, das im Übrigen mit dem ästhetischen Glanz einer Sidsel Endresen oder Cassandra Wilson vergleichbar ist, große Gefahr droht. "Muthspiel ... ? ... kenn isch nit! ... un die anner ... Bakken oder wat? ... nie jehört! ..." wird so mancher stammeln, und die rote Perle mit ungehörter Nichtbeachtung strafen. Tut das nicht!
Denn die norwegische Sängerin Rebekka Bakken und der österreichische Jazzgitarrist Wolfgang Muthspiel präsentieren mit "Beloved" bereits ihr zweites Album. "Daily Mirror", der Vorgänger, erregte bereits ein Jahr zuvor in Szenekreisen wohlwollendes Aufsehen. "Sie bewegen sich im Umfeld der formalen Direktheit eines Popsongs und der Raffinesse und Subtilität einer modernen Jazzband" schreibt beispielsweise die Amazon.de-Rezensentin Katharina Lohmann über den Erstling. "Beloved" setzt diesen eingeschlagenen Weg konsequent und ästhetisch ausgereift fort.
Scharen von Laut-LeserInnen, die in Müller- und Mediamärkten, Saturns und Woms oder auch beim einen oder anderen Fachgeschäft nach "Beloved" sabbernd die Kassen blockieren, tauchen vor meinem geistigen Auge auf ... aber ich schweife ab ...
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