laut.de-Kritik

Hypnotisches Schamanentum und Ekstase.

Review von

Bereits die letzte Wovenhand-Scheibe "The Laughing Stalk" war ein heftiges Rockgewitter und nichts für zarte Seelen. Verglichen mit dem aktuellen Wurf, "Refratory Oburate" jedoch höchstens ein nettes Vorbeben. Jetzt kommt die totale Eruption. Gitarren-Apocalypse Now, schroff, brutal und voller Zähne.

David Eugene Edwards nennt sich auf dem Papier mittlerweile nur noch DEE. Harmlose Buchstabenspielerei oder beunruhigendes Zeichen für ein Fortschreiten der eigenen Wahrnehmung als Prophet? Man weiß es nicht. Die Zeilen des Albums jedenfalls wirken mehr denn je wie eine alttestametarische Predigt. Jeder Song ein Psalm, jedes Wort eine Lobpreisung des Herrn. Erfreulicherweise atmen die komplexen Texte keine Sekunde lang den Hauch betulichen Sonntagsschulgeleiers. Stattdessen gibt es echte Lyrik, die in philosophischen Thesen und Gleichnissen mündet. "My tethered giver, mercy the demand / my burning lamplight stand / unapproachable light, come here!"

Biblische Zeiten verbindet er auf zehn Tracks mit neuen Erkenntnissen und die Moderne mit alten. Sogar das Frauenbild des von Feministinnen oft gescholtenen Wanderpredigers erfährt ein differenzierteres Bild. Erstmals steht das Weib an sich nicht nur als Stolperstein auf dem schmalen Pfad zu Gott, sondern als echte Gefährtin. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, doch ein großer Sprung im künstlerischen Universum des Amerikaners.

Zwischen beiden Alben verdingte er sich als Gitarrero auf der Reuniontour von Crime And The City Solution. Musik und Sound dieser 80er Alternative-Legende haben beträchtliche Spuren in den Songs von Wovenhand hinterlassen. Jedes Lied wird zur puren Detonation. Vor allem die Gitarren implodieren in zahllosen Riffs, Hooks und Zerrungen. Ein Brodeln und Sieden, dass einerseits die Ordnung und Form des Gesangs kontrastiert und andererseits die bis zum Anschlag manische Leidenschaft der Vocals unterstreicht.

Edwards große Leistung besteht darin, dass sein komplexes Klangbild dennoch niemals an den Nerven zerrt oder gar anstrengend zu hören wäre. Im Gegenteil: Der Mann aus Colorado spielt sein Händchen für hypnotisches Schamanentum und Ekstase gekonnt aus. Man wird sofort süchtig nach diesem tosenden Rockmonument. Auch die intensiven Melodien sind noch immer vorhanden, wenn auch nicht so vordergründig, wie auf manch früherer Platte.

Große Momente gibt es zuhauf. Etwa die drängende Hook, die den Hörer als roter Faden durch "Masonic Youth" geleitet; "From death bed to death bed." In "The Refractory" bettet er den gezupften Spirit manch vergangener Wovenhand/16 Horsepower Zeiten ins elektrische Inferno, bis beide miteinander verschmelzen. Und in "Salome" oder "King David" kreuzt Edwards gruftigen Postpunk mit dem typischen "American Gothic" à la Grant Wood. Jeder Song ist ein Bringer, ohne messbare Halbwertszeit. Das einzige was "Refractory Odurate" - der hartnäckigen Widerspenstigkeit - zum totalen Meisterwerk fehlt, ist eine echte Killerballade der Sorte "Poor Mouth" oder "Story And Pictures".

Trackliste

  1. 1. Corsicana Clip
  2. 2. Masonic Youth
  3. 3. The Refractory
  4. 4. Good Shepherd
  5. 5. Salome
  6. 6. King David
  7. 7. Field Of Hedon
  8. 8. Obdurate Obscura
  9. 9. Hiss
  10. 10. El-bow

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LAUT.DE-PORTRÄT Woven Hand

Woven Hand sind ein 2001 gegründetes US-Projekt von David Eugene Edwards, dem ehemaligen Kopf der aufgelösten Alternative-Country Band 16 Horsepower.

4 Kommentare

  • Vor 10 Jahren

    Geiles Album, gefällt mir sogar noch etwas besser als The Laughing Stalk. Das ist Schamanen Musik und Apokalypse trifft es recht gut.
    Allerdings deutet das auch darauf hin das wir die "alten" Woven Hand erstmal nicht mehr hören. Blush Music ist und bleibt mein Lieblingsalbum dieser Band

  • Vor 10 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 10 Jahren

    mir zu schroff, auch live zu "laut", sehne mich zurück nach dem "alten" HW mit Filigranarbiet, mehr "World Music" (indianisch-schamanisch, oriental, etc.), mehr Melodiosität, mehr leisere Töne, mehr Stimmung. Es scheint der gute Mann will nur noch auf den Indiebühnen mit nem einfachen Bass-Git-Drums-Set zusammen ohne Mühe seine Songs runterschrammeln bis in alle (göttliche) Ewigkeit ... nix für den Liebhaber der feinen Zwischentöne ... aber vielleicht bin ich auch einfach zu alt geworden :(

  • Vor 10 Jahren

    einiges durcheinander gewirbelt: HW meinte WH (Wovenhand) und FiligranarbEIt natürlich, insbesondere fehlen mir die anderen Instrumente die er alle spielen kann! so, das war's jetz aber.