laut.de-Kritik

Die neue und feminine Seite der Industrial-EBM-Band.

Review von

Mit dem letzten Album "Bone Peeler" kündigte sich ein vorsichtiger Wandel im Sound von Wumpscut an. Jahrelang auf heftigen Industrial-EBM mit reichlich Sample-Einsatz abonniert, schlich sich plötzlich dezent poppiges Understatement in die Band-Ästhetik ein. "Evoke" küsst die in Wumpscut-Mastermind Rudy Ratzinger schlummernde Freude an Melodien nun endgültig wach. Weibliche Vocals und ein weniger vielschichtiges Klangbild als in der Vergangenheit machen "Evoke" zum einem leichter zugänglichen Album.

Beim Opener "Maiden" überraschen Wumpscut mit einem ungewohnten Band-Line Up. Zieht normalerweise Ratzinger selbst alle Fäden, so hat er sich für "Evoke" weibliche Verstärkung mit ins Boot geholt. Jane M. stimmt die Zuhörer gleich zu Beginn auf die neue, feminine Seite von Wumpscut ein. Rudy R. überlässt den Damen nicht die volle stimmliche Hoheit über seine Songs, sondern inszeniert "Evoke" als Ping-Pong-Spiel zwischen den Gastsängerinnen und seinen eigenen Vocals.

Mit den neuen Stimmen von Wumpscut geht auch eine klangliche Bereinigung des lange Zeit typischen Sounds einher. Ratzinger verabschiedet sich vom schweren, sample-überfrachteten Klangbild früherer Tage. Eine neue Klarheit charakterisiert "Evoke", die nicht mehr so stark in der Tradition der Electronic Body Music steht. Die Effekte, die Ratzinger über seine Sounds legt, klingen natürlicher und unterstützen die Schlichtheit, mit der das Album überrascht.

Dies schafft Raum für ungewohnte Experimente, wie das balladeske "Obsessio" ganz am Ende des Albums, von Sängerin Clara S. wunderschön in Szene gesetzt. Auch der electroide Track "Hold" deutet an, in welche Richtung die Entwicklung in der Zukunft gehen könnte. Weg von schweren Tanzflächenschiebern hin zu feinen Songs für das Homelistening.

Bei aller Freude, mit der Ratzinger ein neues Klangbild für Wumpscut entwirft, geraten die Wurzeln dennoch nicht in Vergessenheit. "Breathe" rockt gewaltig ab und wartet mit allen Zutaten auf, die die Münchner Band zu Beginn der 90er auf das internationale Tableau hoben. Für Wumpscut-Fans interessant: Nach der massiven Kritik von Fans an dem allzu restriktiven Kopierschutz auf "Bone Peeler" dreht sich "Evoke" im CD-Player wie im Computer-Laufwerk.

Trackliste

  1. 1. Maiden
  2. 2. Churist Churist
  3. 3. Don't Go
  4. 4. Evoke
  5. 5. Tomb
  6. 6. Hold
  7. 7. Krolok
  8. 8. Breathe
  9. 9. Rush
  10. 10. Perdition
  11. 11. Obsessio

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