laut.de-Kritik

Rap mit russischer Seele: Eingängig und eindimensional.

Review von

"Mit mir kommt die Eiszeit - straight aus Sibiria." Der Frühling mag sich noch so bemühen, dank Zavet bleibt das Wetter winterlich. Auf ihrem ersten als Mixtape deklarierten Werk "Husky Augen" setzt die gebürtige Russin auf frostigen Trap, über den die R'n'B-Anhängerin mehr melodisch singt, als im klassischen Sinne rappt. "Für die, die sich noch fragen sollten, was ich tu': Zieht mal lieber eure Jacke zu", erhöht sie im einleitenden "Eiszeit" die Spannung. Eine zufriedenstellende Antwort auf die Frage bleibt sie ihren Hörerinnen und Hörer aber schuldig.

Den Einbruch der "Eiszeit" setzt Zavet mit Samthandschuhen um. Mal rumort es leise, mal echot ihre Stimme dezent, doch den gewünscht kalten Charakter vermittelt sie kaum. Ihre hallende Stimme in "Husky Augen" klingt schon glaubwürdiger nach arktischer Höhle: "Minus 30 Grad und ich hab' nicht mal Goosebumps." Konkrete sowjetische Bezüge greift die Rapperin nur sehr selten wie etwa in "Balaclava" auf: "Die Kapuze sitzt tief, allein wie der Wolf aus 'Nu, pogodi!'." Sie verbindet die Eis-Motive zumeist eher implizit mit ihrer sibirischen Herkunft.

"Gestartet mit nichts, geboren in der Kälte. Mom und Dad wollten weg, weil die Zukunft nicht safe ist", heißt es im Titelsong über ihre Einwanderungsgeschichte. Doch handfeste Einblicke vermeidet sie dabei. Wodurch zeichnet sich die unterkühlte Mentalität ihres Herkunftslands aus? Oder geht es metaphorisch gelesen doch eher um emotionale Kälte? Sie setzt das Thema derart plakativ um, dass es sich abnutzt und die Schwelle zum Gimmick überschreitet. Und dennoch sollten A&Rs beim äußerst eingängigen "Husky Augen" hellhörig werden. Das kommerzielle Potenzial liegt auf der Hand.

Auch "Scheiß Drauf" und "Tiefschlaf" erweisen sich als potente Pop-Songs. Zavet mag im Erstgenannten mit dem Mundwerk eines Bierkutschers zu Werke gehen, doch die Stimmeffekte dosiert sie genau richtig, um sich bei der Hörerschaft festzusetzen. Das gilt ebenso für "Tiefschlaf", in dem sie selig schlummert, während der frühere Partner sie noch immer verfolgt. Zu den monetären Vorzügen dieser Radiotauglichkeit gesellen sich die bekannten Nachteile. Eine gefällige Verpackung trifft auf vages Storytelling, das auch von einem Vertreter der vielen verwechselbaren Pop-Poeten stammen könnte.

Die ohnehin unscharfe Grundidee verliert sich fast völlig in "In My Mind (... Sind Wir Perfekt)". "Lieg' wach und wart' auf dich bis zum Tageslicht", erklärt die eben noch betont eigenständige Rapperin und bedient sich dafür mit dem EDM-Song "In My Mind" von Dynoro und Gigi D'Agostino, einem der meistgestreamten Lieder der vergangenen Jahre. Deutlicher lässt sich kaum auf Zahlen schielen. Der Party-Hedonismus von "Gestern" purzelt mit seinem angezogenen Tempo ebenso aus dem frostigen Konzept. Ihr gemurmelter Schwermut wirkt in diesem Kontext nur noch aufgesetzt.

Für Prada fehle ihr das erforderliche Budget, gibt die Rapperin kurz vor Schluss zu Protokoll, aber es müssen ja auch "Keine Millionen" sein. Ihre Priorität liegt woanders: "Du weißt, dass ich real bleib'." Die oft bemühte 'Realness' ersetzt aber keine Persönlichkeit. Zavets Alleinstellungsmerkmale bleiben überschaubar und schwach betont. "Husky Augen" durchzieht zwar leise Melancholie, die sich stereotyp wohl als 'russische Seele' zusammenfassen lässt, doch ein mehrdimensionaler Charakter lässt sich aus dem Mixtape kaum herausdestillieren.

Trackliste

  1. 1. Eiszeit
  2. 2. Husky Augen
  3. 3. Balaclava
  4. 4. Gestern
  5. 5. Tiefschlaf
  6. 6. Scheiß Drauf
  7. 7. In My Mind (... Sind Wir Perfekt)
  8. 8. Keine Millionen
  9. 9. Mitternachtsblau (mit Jiggo)
  10. 10. Icecold

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