laut.de-Kritik
Hier passt alles: Songwriting, Atmosphäre, Produktion.
Review von Eberhard DoblerHier passt alles: Atmosphäre, Songwriting, Arrangement, Produktion. Im Kern referieren Stuart Price, Johnny und Adam Blake zwar den Elektro-Pop der Achtziger Jahre - Ikonen wie Human League, Heaven 17, Duran Duran oder Erasure kommen in den Sinn. Bei aller Affinität verharrt das Trio aber nicht in Nostalgie, sondern nutzt das stilmäßig umstrittene Jahrzehnt als Sprungbrett zum eigenen Style. Die Briten lassen ihre Wurzeln hinter sich, ohne sie zu verleugnen. Ein wohl dosiertes Gefüge aus schwebenden Keyboard-Flächen, pulsierenden Grooves, prägnanten Bässen, Gitarren und fesselndem Gesang macht die Platte zu einem der wichtigsten Releases des Jahres.
Ob Elektro-Pop nach Indierock-Schema, Filterhouse, Club-Mooves, zarter Pop oder Trip Hop, die spezifische Sound-Atmosphäre Zoot Womans zieht sich wie ein roter Faden durch die Platte, gibt ihr einen Rahmen und jedem Track ein unverwechselbares Gesicht. In puncto Harmonie, Melodie und Rhythmus regiert die Devise 'weniger ist mehr'. Glücklicherweise klingen sie dabei weder zu minimal noch zu durchdacht. Das perfekte Frenchhouse-Stück "Taken It All" sollte die Tanzböden dieser Welt im Handstreich nehmen. "Gem" gerät zum melancholisch massiven Clubtrack mit Vocoder und Indie-Gitarrenlick. "Hope In The Mirror" rockt nicht weniger intensiv.
Das größte Pfund dürften aber Johnnys Vocals sein, die Textebene inbegriffen: seine Stimme besitzt trotz des leicht angekühlten 80er-Vibes eine Menge Soul: "Green light all the way to a grey day". Wer bei der Single "Grey Day" nicht mitmacht, ist selbst schuld: Wo sind die Indie-Popper, die einen Song komponieren, der in bester QOTSA-Manier rockt und Melodien abfeuert, die Retro-Absahnern den Weg ins Altenteil weisen? "Woman Wonder" kombiniert orientalischen Synthie-Flair mit introvertierten Rhythmen. "Calmer", das einzige Intsrumentalstück der Platte, versetzt den Hörer anschließend in trip hoppige Livebass-Gefilde. "Useless Anyway" klingt am Ende gar nach psychedelisch verzerrten Gitarren-Experimenten. Bevor "Half Full Of Happiness" Zoot Womans zweiten Longplayer mit zarter 4/4-Bassdrum ausfaden lässt, zeigt "Maybe Say" noch einmal, wie unglaublich cool Pop-Melodien sein können.
Price und Co. bewegen sich zwar im Pop-Kontext der Achtziger, haben aber mit der Geradlinigkeit und Sterilität vieler der damaligen Grooves wenig am Hut. Einziger Schwachpunkt, wenn auch ein konsequenter, bleibt das zu schwül geratene "Snow White". Doch allein die ersten vier Tracks katapultieren die Band in die Top Five des Jahres. Kenntnisreich, cool und elegant - Zoot Woman sind eine große Band, echte Songwriter statt Hype-recyclende Knöpfchennerds.
12 Kommentare
Danke für diese wunderbare Platte.
Yours, kurz und bündig
ohja!
War/Ist es nich' zufällig Jacques Lu Cont?
Entschuldigt das Rauskramen, aber ich hab die Band erst vor kurzer Zeit entdeckt.
Und finde, dass "Snow White" nich ausgeklammert werden sollte, is ebenso genial wie der Rest des Albums. Ganz groß.
angeblich soll ja dieses jahr ein neues album rauskommen. wurde aber auch zeit.